Ist der Lockdown der richtige Weg?

Aktuell überschlagen sich in den Medien mal wieder die Meldungen um Entscheidungen und Zahlen. Virologen sehen die Ansteckungen stark ansteigen und benutzen bereits seit dem Herbst immer wieder den Begriff "exponentielles Wachstum". Bei der Politik, die diesen Begriff bereits vor langer Zeit aufgenommen hat und weiterplappert, hat man zunehmend den Eindruck, dass ihnen die Bedeutung von "exponentiell" nicht klar zu sein scheint. Ganz nach dem "Gesetz der guten Fortsetzung" (wer es nicht kennt möge es bitte googeln) wird die Linie aus Punkten der Vergangenheit einfach in die Zukunft vervollständigt um auf diese Weise mit einer Prognose für unsere nähere Zukunft dienen zu können. Aber, ist das weise oder kurzsichtig?

 

Sehen wir uns doch mal unsere Welt an. Alles was wir in unserer Welt erleben findet gemäß einer Sinuswelle statt. Da ist es völlig egal ob es der Tag/Nacht Zyklus, unsere Jahreszeiten, Ebbe und Flut, oder unsere eigene Stimmung ist. Wir finden diese Sinuswelle sowohl in unserer Wirtschaft, in unseren Schlafphasen als auch im Flügelschlag eines Vogels oder dem Flossenschlag eines Fisches. Aber was genau ist ein Sinuswelle? Eine Sinuswelle ist eine nahtlose Verkettung von Parabeln. Eine Parabel kann man sich wie einen geglätteten Berg vorstellen. Unten am Berghang geht es in einer Aufwärtskurve erstmal exponentiell nach oben bis das Ganze in einen kurzen linearen Anstieg mündet. Das ganze gipfelt dann mit der Gegenkurve zum exponentiellen Anstieg in dem man sich dann, zunehmend abflachend, dem Scheitelpunkt nähert. Ab hier geht es dann leicht abschüssig wieder nach unten bis es einen exponentiellen Abfall gibt der dann wiederum in einen linearen Abstieg weitergeführt wird, um dann zur Grundlinie hin wieder exponentiell abzuschwächen. Bei allen exponentiellen Phasen tritt nach einiger Zeit eine "Sättigung" ein und der Vektor pendelt sich wieder ein.

 

Wenn man diese Theorie hernimmt und auf die Pandemie anwendet, dann versteht man Hendrick Streeks Aussage, dass wir uns in einer Dauerwelle befinden. Treffender kann man es nicht ausdrücken. Er hatte schon mehrere Monate in der Pandemie festgestellt, dass die Theorie von drei Wellen nicht zutrifft, sondern seit Beginn der Pandemie die Entwicklung in einer Dauerwelle vollzogen wurde. Das stimmt auch so, wenn gleich im Sommer die Amplituden der Wellen so klein waren, dass sie von der Bevölkerung, den Medien und der Politik als gerade Line wahrgenommen wurden. Wenn also ein Herr Söder meint, dass wir uns im späten Herbst/Winter 2020 plötzlich in einem "exponentiellen Wachstum" befanden, dann finde ich ist er uns die Antwort schuldig geblieben was danach kommt. Glaubt er dass das exponentielle Wachstum unendlich weiter wächst und sich nicht sättigt und abflacht? Glaubt er, dass das exponentielle Wachstum irgendwann nach hinten überkippt und einen Looping vollzieht? Jetzt mag man mir entgegen, dass dies bei einer Welle ja tatsächlich so passieren kann wenn sie bricht. Aber, wenn das passiert ist dies das Ende der Welle, weil sie da in sich zusammenfällt. Ein Blick auf das Meer, zeigt uns auch, dass die Formen der Wellen kein unendliches Ansteigen, und keine Ecken und Kanten kennen. Es sind mehr oder weniger immer Sinuswellen; wenn auch nicht so geometrisch gleich, oder mit unterschiedlicher Amplitude. Das lässt vermuten, dass egal was wir an Maßnahmen beschließen, sich die Welle trotzdem abflachen muss. Wieder auf die Pandemie angewendet würde das bedeuten; auch wenn wir nicht eingreifen ist und bleibt es eine Sinuswelle und wo es hoch geht, geht es auch wieder herunter. Es mag sein, dass unser Verhalten Einfluss auf die Amplitude der Welle haben könnte, aber das wurde bislang noch nicht zweifelsfrei belegt, sondern immer nur angenommen und vermutet. Wir gehen in unserer hochtechnologisierten Welt hochnäsig davon aus, dass einfach alles mit unserem Einfluss zu tun hat. Aber das würde nach "Theorie Söder" bedeuten, dass zu einer Zeit als der Mensch noch mit Lendenschurz und Keule unterwegs war, und keine Einflussnahme durch den Menschen möglich war, so eine Welle unaufhaltsam und ohne Ende weiter gemacht hätte. Das hätte bedeutet, dass eine Pandemie solange gewütet hätte bis alle infiziert sind. Wenn man jetzt mal von vergangenen Pandemien ausgeht wie der Pest oder Pokken – welche wesentlich dramatischer oder todlicher waren als Corona – dann hätten diese Pandemien theoretisch wüten können bis alle Menschen ausgerottet wären. Das kann nicht der Fall gewesen sein, sonst wären wir heute nicht mehr hier. Heisst also, diese Wellen müssen sich auch von selbst wieder abgeflacht haben.

 

Mein heutiger Gedanke stellt keineswegs die Brisanz der Pandemie in Frage. Auch verhamlose ich nicht wie schwer bei manchen die Krankheit verlaufen kann und auch verlaufen ist; bzw. noch wird. Aber, die Frage ist doch, ob die Erklärung der Pandemie über das exponentielle Wachstum der richtige Weg ist. Und was auch noch nicht geklärt ist, ist inwieweit wir als Menschheit Einfluss auf diese Phänomene haben. Natürlich, kann ich mich bei einem Tsunami in die Brandung stellen, wenn ich mir einrede, dass ich doch nicht einfach zusehen kann, und, mich-in-die-Brandung-stellen um die Welle mit der Hand aufzuhalten, die nächstbeste Maßnahme ist – und besser ist als Nichtstun. Aber, nur weil dies die beste Maßnahme ist die ich habe, heisst das nicht, dass sie erfolgreich sein wird – geschweige denn sinnvoll ist.

 

Der Fehler der hier passiert ist, dass die Politik sich von der Wissenschaft nicht einfach nur beraten lässt um daraus eine politische Entscheidung zu treffen. Denn auf diese Weise würden Wissenschaft und Politik jeweils das tun was sie am Besten können. Nein, die Politik nimmt aktuell aus Furcht vor falschen Entscheidungen das was ihr von der Wissenschaft erklärt wurde – sie aber offenkundig nicht verstanden hat – und drängt der Wissenschaft im Namen des Volkes die Verantwortung auf, welche die Wissenschaft so nie wollte. Das passiert, indem jegliche politisch getroffene Entscheidung rein medizinisch begründet wird und gezielt Personen und Experten namentlich genannt werden, was diese automatisch in die Wahrnehmung der Bürger bringt. Und somit auch in die Verantwortung. Drosten, Streek und Co haben immer wieder betont, dass Sie diese Verantwortung nicht übernehmen möchten weil sie Wissenschaftler und keine Entscheider sind. Trotzdem finden sich diese Wissenschaftler im Kreuzfeuer der Medien und Bürgerbewegungen wieder. Eine Rolle in welche diese Herren von niemand anderem als der Politik gedrängt wurden!

 

Unsere Politik trifft aktuell falsche Entscheidungen; nicht weil die Regierung eine Agenda hat um aus Deutschland eine Diktatur zu machen. Nicht weil die Politik davon profitieren würde, wenn wir alle brav zu Hause sitzen. Im Gegenteil, das kostet den Staat Unsummen. Nein, diese Entscheidungen wurden aus Furcht getroffen. Diese Furcht äußert sich bei verschiedenen Personen auf unterschiedliche Weise. Ein riesiger Faktor – der meines Erachtens diese Pandemie für uns so desaströs macht – ist die Tatsache, dass die CDU keine Führung hat. Kramp-Karrenbauer steht untätig, weil selbst abgesägt, in der Ecke. Und weil die Frage des Parteivorsitzes vor Corona nicht beantwortet wurde, haben die möglichen Kandidaten Angst vor ihrer eigenen Courage. Söder und Laschet würden sich gerne von dem Format präsentieren, welches es braucht um ein Land zu führen. Aber aus Angst dabei etwas Falsches zu tun, weswegen man politisch deren Köpfe fordern könnte, fährt man auf Sicht und geht übervorsichtig vor. Lieber drischt man vor dem Volke Phrasen und gibt Erklärungsversuche mit Begriffen wie dem Exponentiellen Wachstum. Eine profillose SPD die sowieso nur der CDU widersprechen muss, lässt sich da vom parteiinternen Gezanke der CDU vor sich hertreiben. Einem gewählten Parteivorsitzenden der CDU wäre ein wesentlich rigider und mutigerer Kurs möglich gewesen. Diese ganze Entwicklung hat dann während der Pandemie noch eine ganz eigene Dynamik bekommen. Der Gipfel war Söders Aussage dazu, dass wir bereuen würden, wenn unsere Großeltern vor Weihnachten an Covid versterben würden, wenn sie doch gerne noch mit uns dieses Weihnachtsfest gefeiert hätten. Als ob Sterben zu irgendeiner Zeit in der Menschheitsgeschichte jemals ein Wunschkonzert gewesen wäre, bei dem man sich den Wunschtermin hätte aussuchen können?

 

Söder, Laschet und die Kanzlerin sollten sich eher fürchten, dass man die exponentielle Entwicklung in der Mutlosigkeit ihrer Entscheidungen entdeckt. Die SPD sollte davon absehen, jegliche Inhalte anderer Parteien zwanghaft auszublenden oder abzulehnen. Wer dies tut, disqualifiziert sich für jeglichen potentiellen Inhalt seines eigenen Profiles und steht am Ende glanzlos da. So fürchtet sich eigentlich jeder nur vor seinem eigenen politischen Ende, nicht vor Corona.

 

Ich beschließe diesen Artikel mit einem Zital vom Albert Einstein: "Schämen sollten sich die Menschen, die sich gedankenlos der Wunder der Wissenschaft und Technik bedienen und nicht mehr davon geistig erfasst haben als die Kuh von der Botanik der Pflanzen, die sie mit Wohlbehagen frisst."

 

 

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