Mut in der Politik.

Wenn man aktuell auf die Straße geht oder sich in seinem Bekanntenkreis umhört, fällt einem die immense Wut auf die Politik auf. Jeder der sich mehr oder weniger lautstark äußert lässt im Prinzip erkennen, dass er sich ein mutigeres Agieren in Bund und Land wünschen würde. Aber keiner scheint irgendwie seine eigene Rolle in dieser Situation zu erkennen. Ich habe mal den Spruch gehört, dass jedes Land genau die Regierung hat, die es verdient. Ich denke da ist viel Wahres dran.

 

Generell findet jeder stets irgendetwas an der Politik, womit er nicht einverstanden ist. Aber sie ist bei genauerer Betrachtung ein Produkt der jeweiligen Gesellschaft. Die Entscheidungen der Politiker werden maßgeblich von dem geleitet, was sie glauben was die Bürger von ihnen erwartet. Deutschland ist in meinen Augen ein Land voller Angsthasen. Der Begriff German Angst kommt nicht von ungefähr, sondern man erkennt um uns herum scheinbar sehr deutlich diese typische deutsche Eigenschaft. Eigentlich ist das auch nachvollziehbar. Wenn man sich unsere Geschichte ansieht, haben wir Bürger unsere verwerfliche Geschichte mitverursacht. Dafür war nicht nur das NS-Regime verantwortlich. Das hat Nachkriegs-Deutschland natürlich ein gewisses Verantwortungsgefühl abverlangt. An diesem Punkt haben wir in großen Teilen auch geliefert. Aber es war nicht abzusehen, dass wir uns in ein gallisches Dorf verwandeln und stets Angst haben würden, dass uns der Himmel auf den Kopf fällt. Genau so sehe ich uns Deutsche aber. Im europäischen Vergleich sind wir in der Tat eine Nation die gerne aus der 3. Reihe meckert aber sich dann, wenn man sie nach vorne bittet, wegduckt. Da geht es in Ländern wie Frankreich ganz anders zu. Frankreich hat eine Demonstrationskultur in der breiten Gesellschaft die wir in Deutschland nur bei extrem engagierten Gruppen der Bevölkerung finden. Ich werte hier jetzt auch nicht welche Thematik diese einzelnen Gruppen verfolgen und wie angesehen deren Anliegen ist, seien es Atomgegner, Klimaschützer, Gewerkschaften, Rechte oder Linke Milleus. Aber die breite Bevölkerung demonstriert eher seltener. In der Mitte wird lieber zu Hause oder am Stammtisch gemeckert.

 

Was keiner erkennen will, ist, dass Politiker zu sein, kein angenehmer Job ist. Politiker sind ja nicht auf der Straße aufgelesen oder von Talentsuchern rekrutiert worden. Poltiker sind Menschen die sich im politischen Zirkus jahrelang, wenn nicht sogar jahrzehntelang, engagiert haben und ihre Freizeit gegen die politische Auseinandersetzung eingetauscht haben. Und das ist harte Arbeit – eine Mühe die sich nicht viele Bürger machen. Die zeitlichen Aufwendungen und das Engagement das im Hintergrund von einem Politiker verlangt wird, nimmt die breite Öffentlichkeit nicht wahr. Oftmals wird auch die gute Arbeit der Politiker nicht wirklich kommentiert oder gewürdigt – die setzt der Bürger einfach voraus. Er fängt aber direkt massiv an zu motzen, wenn mal etwas nicht so läuft wie er sich das vorstelt. Irgendwie, genauso wie bei uns Eltern die nach der Arbeit kochen, waschen, putzen und alle Rechnungen bezahlen. Das wird in der Familie oftmals nicht weiter gewürdigt. Wenn aber mal das Essen NICHT auf dem Tisch steht, oder die Lieblingshose NICHT gewaschen im Schrank liegt, dann ist auf einmal Alarm. Dafür, dass unsere Volkvertreter sich ständig dieser Situation aussetzen und Verantwortung übernehmen, haben sie auch eine gewisse Entlohnung verdient. Das steht ihnen zu, da sie es sind, die sich in Sitzungen den Problemen unserer Zeit stellen, während wir zu Hause schon vor dem Fernseher sitzen dürfen. Aber gerade der finanzielle Aspekt ist ein wiederkehrendes Argument der politikkritischen Stimmen. Was viele dabei nicht verstehen wollen, das Geld nicht das Kritierium ist um in die Politik zu gehen da man in der freien Wirtschaft viel mehr Geld verdienen kann – vermutlich auch leichter – aber sie machen es trotzdem. Das sollte man schon auch betrachten.

 

Das Nächste ist die Verantwortung die von der politischen Arbeit gefordert wird. Das ist kein Pappenstil. Es ist eine Sache am Stammtisch zu sitzen und mit den Kollegen nach dem 5. Weizenbier die Klimakrise "gelöst" zu haben, oder wirklich in Gremien sich diesen Problemen zu stellen und konstruktiv an den Lösungen mitzuwirken – wohlwissend, dass der Bürger genau zusieht und jedes Statement, jede Entscheidung und jede Auswirkung auf die Goldwaage legt. Das Paradoxe daran ist, dass der Bürger von der Politik genau jenen Mut einfordert, den er mit seinem abstrafenden Verhalten selbst verhindert. Meckern ist nämlich ein Folge von Frustration und Ungeduld. Es wird einfach verkannt, dass es keine schnellen Lösungen gibt sondern elementare Probleme ganzheitliche Lösungen erfordern. Aber, wir wollen unsere Lösungen jetzt. Und sie müssen perfekt und fehlerfrei sein. Und Politiker werden doch bezahlt und dann sollen die auch gefälligst liefern!

 

Aber, ich wage zu behaupten, dass wir in der Politik keine Heiligen finden, sondern Menschen. Da ist der komplette Querschnitt unserer Gesellschaft dabei. Da gibt es nicht nur Rechte, Linke, Liberale und Grüne: da gibt es auch Menschenrechtler, Tierfreunde, Alternative, Konservative, Schwule, Lesben, Drogenabhängige aber auch Menschen die sich auf Kosten anderer bereichern wollen. Und an dieser Stelle wird die Situation echt absurd: obwohl, die Politiker nur Menschen sind, stellen wir sie wie Übermenschen auf ein Podest, nur um sie dann, mit der Behauptung sie wären alle korrupt und hätten eine Agenda, wieder herunterzuprügeln. Sicher gab es Fälle in welchen Poltiker, im Nachhinein offensichtlich, während ihrer politischen Laufbahn bereits massiv an ihrer Karriere danach gefeilt haben. Natürlich gab es auch Politiker die korrupt waren, aber dies daraufhin allen Politikern zu unterstellen, ist Unsinn. Doch mit genau dieser Attitüde schnürt der Bürger das Korsett für die Politik immer enger. Was zur Folge hat, dass Politiker jeden ihrer Schritte abwägen müssen um ihre jahrzehntelange politische Arbeit nicht mit einem einzigen Fehltritt abrupt zu beenden. Und genau das ist das was ständig passiert. Dazu kommt, dass wir irgendwie auch immer nur das sehen was wir sehen wollen. Wenn ich bei der Politik sowieso davon ausgehe, dass sie alle Betrüger sind, dann blende ich natürlich alles Gute was dort geleistet wird aus, weil sonst mein Argument gegenüber den Volksvertretern, auch für mich klar erkennbar, falsch wäre. Sobald dem Poltiker dann doch mal ein Fehler unterläuft, fühle ich mich hingegen in meiner Meinung sofort bestätigt, und ich kann direkt draufkloppen. Diese "Unbarmherzigkeit" ist ein permanentes Damokles-Schwert, dass über jedem Politiker hängt und das ist ihnen natürlich ständig bewusst! Man muss sich da nur mal ganz kurz fragen wie es sich für einen selbst anfühlen würde, wenn der Chef einem ständig über die Schulter blicken würde mit der Erwartung, dass wir sowieso stets alles falsch machen. Und wenn es doch mal zu einem Fehler kommt, dann würde sich der Chef bestätigt fühlen und wir bekämen direkt unseren Einlauf. Keine schöne Situation. Auch nicht für Politiker!

 

Jetzt muss ich nur noch 1+1 zusammenzählen und mir wird sofort klar, dass unter diesen Umständen Politik nicht so befreit praktiziert werden kann, wie wir das von den Parlamentariern erwarten. Man wird als Verantwortlicher bei jeder Entscheidung immer sein politisches Ende mit in Betracht ziehen müssen und dann von einer mutigen Entscheidung immer, zu Gunsten einer Zahmeren und Unverfänglicheren Maßnahme, Abstand zunehmen. Das müssen wir endlich erkennen und unserer Politik auch den Raum für Fehler zugestehen. Im gleichen Atemzug sollten wir ihnen auch die Gelegenheit geben, ihre Fehler zu korrigieren. Wie mutig und forsch kann ein Verkehrsminister zu Werke gehen, wenn er das Amt von einem geköpften Vorgänger übernommen hat, der seinen Job wegen eines Fehlers verloren hat? Da sieht er doch bei Amtsantritt bereits sein eigenes politisches Ende am Horizont.

 

So dürfen wir mit unseren Politikern nicht umgehen und es muss uns klar sein, dass wir so niemals die Qualität und den Mut in die Politik bekommen die wir uns so sehr herbei sehnen. Politiker sind Menschen, behandeln wir sie auch so.

 

Man mag mich jetzt fragen wie diese Haltung dazu passt, dass ich Politik regelmäßig massiv kritisiere? Ich denke, dass Meckern und Kritik unterschiedliche Dinge sind. Meckern ist eher von Unwissen, Intoleranz und Resignation geprägt. Hier geht es nicht darum sich konstruktiv mit den Beschlüssen von Politik auseinanderzusetzen. Hier geht es darum seinen Frust rauszulassen, egal ob man damit etwas ändert. Vermutlich ist es den Motzern sogar lieber, wenn sich nichts ändert, weil einem da der Stoff zum Motzen nie ausgehen wird. Differenzierter Kritik liegt hingegen ein gewisses Maß an Information zugrunde. Man muss sich mit dem Thema befassen und Zeit darauf verwenden Hintergründe zu beleuchten. Echte Kritik sieht Dinge nicht pauschal sondern wägt in verschiedenen Themen ab. Würde ich meckern, dann würde ich sagen Jens Spahn gehört weg, weil er ein furchtbarer Gesundheitsminister ist. In dieser Aussage steckt aber nichts Inhaltliches.

Bei differenzierter Kritik geht es mir nicht um die Person pe se, sondern um seine Leistungen, und ich kann diese differenziert betrachten. Somit ist es möglich, ein und die selbe Person in bestimmten Punkten zu loben und an anderer Stelle massiv zu kritisieren. Damit wird man nicht nur der Person gerecht, sondern sichert sich auch seine eigene Glaubwürdigkeit.

 

Ich denke, dass wir diese Art von Kultur ausbauen müssen. Aus Jammern und Motzen ist noch nie etwas konstruktives erwachsen.

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