Ethik dies, Ethik das. Vorsicht, bitte!

Da ich aktuell ziemlich viele Artikel und Interviews zum Thema Corona und den damit verbundenen Maßnahmen lese, fällt mir immer wieder die Verwendung des Begriff Ethik auf. Für alle denen der Begriff nicht so richtig geläufig ist, habe ich die Definition einmal nachschlagen:

 

Die Ethik ist jener Teilbereich der Philosophie, der sich mit den Voraussetzungen und der Bewertung menschlichen Handelns befasst und ist das methodische Nachdenken über die Moral. Im Zentrum der Ethik steht das spezifisch moralische Handeln,[1] insbesondere hinsichtlich seiner Begründbarkeit und Reflexion (Ethik beschreibt und beurteilt Moral kritisch) (Quelle Wikipedia)

 

Die jüngst von Hendrik Streeck und dem Statistiker Göran Kauermann auf Welt veröffentlichten Interviews geben eine relativ geerdete Sichtweise auf die aktuelle Situation wieder. Aber im Gegensatz dazu werden in anderen Interviews und Statements oftmals die Dinge sehr stark vermischt und viele erkennen ihre eigene Rolle nicht. Natürlich gebe auch ich in meinem Buch und meinen Artikeln meine Meinung wieder – das ist völlig richtig. Aber, ich stelle mich nicht hin und erkläre Dinge für "ethisch nicht vertretbar." Denn genau das finde ich problematisch!

 

Ethik hat keine Skala und wird in keiner Einheit gemessen. Das was der Magdeburger Uniklinik-Professor Felix Walcher, Präsidiumsmitglied der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), zum Beispiel am 30.1.2021 in einem Interview als ethisch nicht vertretbar dargestellt wird, ist lediglich sein reines persönliches Empfinden über Ethik. Nichts weiter. Viele Leser sehen so eine Koriphäe aber als Instanz und das gibt seiner Stimme ein gewisses Gewicht. Deswegen wäre es gerade bei solchen Menschen wichtig, dass sie sich bei der Wahl ihrer Worte über die Konsequenzen im Klaren sind. Natürlich sind Ärzte keine Medienprofis. Aber keiner von ihnen wurde vor die Kamera gezwungen, und sobald die Entscheidung gefallen ist, ein Interview zu geben, steht er voll in der Verantwortung. Wer das nicht aushält möge sich bitte medial bedeckt halten! Denn es gilt auch für unsere wichtigsten Helfer in der Pandemie: Was für eine Person absolut unethisch sein mag, kann für viele andere Menschen mit funktionierendem moralischen Kompass trotzdem ethisch völlig ok sein. Was wir hierbei erkennen müssen ist, dass Menschen immer davon geprägt sind, was sie den ganzen Tag erleben. Somit ist völlig logisch, dass ein Arzt, der jeden Tag 10 Stunden mit Coronapatienten im künstlichen Koma zu tun hat, eine andere Sicht auf die Dinge haben muss, wie z. B. ein normaler Bürger, der unter Umständen seinen ganzen Tag mit gesunden Menschen verbringt. Ich sage nicht, dass diese 20 künstlich beatmeten Patienten auf der Intensivstation egal sind. Ich sage auch nicht, dass dies nicht tragisch ist, aber, wenn ich diese 20 den anderen 100.000 Gesunden einer Stadt gegenüberstelle, kann und darf die ethische Bewertung dieser Situation nicht aus der Momentaufnahme des persönlichen Empfinden heraus erfolgen, ohne den Blick einmal aus der Intensivstation heraus schweifen zu lassen. Mir ist klar, dass Herr Walcher sicher ein engagierter Medizinier ist und ich respektiere das was unser Gesundheitssystem leistet in hohem Maße. Auch ich profitiere schließlich davon. So wichtig Intensivstationen für unsere Zivilisation sind, so sind sie doch nur ein kleiner Teil des großen Ganzen. Ein Medizinier ist zu Zeiten der Pandemie sicher einem höheren Stress ausgesetzt, das ist mir klar. Aber auch er muss dies leider bereits bei seiner Berufswahl auf dem Schirm haben. Ich kann nicht zu den Fallschirmjägern wollen, wenn ich bereits auf einer Haushaltsleiter Schwindelanfälle bekomme. Und ein Berufssoldat lebt auch gerne im Frieden, dennoch kann er sich nicht beschweren wenn er in einen Einsatz geschickt wird. Jeder Beruf hat somit seine Schattenseiten.

 

Ich finde es ja völlig richtig, wenn Mediziner uns von ihrem Alltag und der dort aktuell vorherrschenden Dramatik berichten. Der Bürger muss ein Einblick bekommen was im Gesundheitssystem aktuell los ist, um sein eigenes Handeln der aktuellen Situation anpassen zu können. Aber das ist nicht notwendigerweise wichtiger, als die Dramen die sich in manchen Familien abspielen. Wenn ich einstündige Reportagen über Schaustellerfamilien im TV sehe, und deren aktueller Kampf in allen Einzelheiten beleuchtet wird, läuft es mir genauso eiskalt den Rücken hinunter!

 

Wenn ich nun zur Definition von Ethik zurückkehre wird folgendes klar: Wenn sich Ethik mit dem moralischen und reflektierten Handeln des Menschen auseinandersetzt, dann ist sie nicht nur auf den Intensivstationen relevant, sondern in allen Belangen unserer Gesellschaft – ausnahmslos. Somit auch in Altenheimen und JEDEM einzelnen Haushalt. Und sie sollte auch unbedingt da ins Bewusstsein kommen, wo Menschen aktuell ihrer Lebensgrundlage durch ein Berufsverbot beraubt sind. Um eine ethische Bewertung zur aktuellen Situation abzugeben, muss das ganze Bild betrachtet und abgewogen werden. Eine Betrachtung, nur auf den Aspekt Gesundheitssystem beschränkt, ist einseitig und wird dem Begriff Ethik nicht annähernd gerecht.

 

Wer mit solchen Worten um sich wirft möge sie bitte auch im Gesamten verstehen und auch die Tragweite dieses Begriffes mit in Betracht ziehen! Ethik ist eines unserer höchsten Güter und kein neudeutsches Modewort!

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