Die große kleine Koalition

Ich musste mir jetzt drei Legislaturperioden anhören, dass eine Große Koalition schlecht ist. In dem Falle ist die Opposition einfach zu schwach weil zu viele Wählerprozente in der Koalition vereint sind. I beg to differ.

 

Durch diese Weisheit, dass eine große Koalition immer nur eine Notlösung ist, war die Haltung innerhalb der Koalition maßgeblich geprägt. Beide Parteien haben sich nicht wie Koalitonäre sondern wie Kontrahenten verhalten, weil sie in dem Glauben gelebt hatten, es ginge nur um eine Amtszeit und danach ginge jeder wieder seiner Wege. Würde man es sich in dieser Zeit der Zwangsheirat zu kuschelig machen, könnte man sich unter Umständen danach nicht mehr so richtig streiten. Also waren die drei Großen Koalitionen von großer Kälte geprägt. Sowohl CDU als auch SPD konnten sich nur sehr selten dazu überwinden dem Koalitionspartner wohlwollend gegenübertreten. Man hatte nie das Gefühl, dass da ein Team gemeinsam an einer Lösung arbeitet. Da schwang immer dieser latente Wettbewerb mit, dass man als "Sieger" aus der Regierungsperiode hervorgehen möchte, bzw. müsste, um danach ein geschärftes Profil zu haben. Nur so wäre es möglich wieder die Regierung zu stellen und in seine alten Allianzen zurückzugehen. Auch haben alle versucht diese Große Koalition als träge und unproduktiv hinzustellen was so aber nicht unbedingt den Tatsachen entspricht. Ich würde attestieren, dass der Eindruck auf den ersten Blick eher ein gegeneinander vermittelt hatte. Das lag aber daran, dass die Vertreter aus den ersten Reihen der Koalitions-Parteien natürlich immer für das Image erstmal versucht haben den politischen Unterschied aufrecht zu erhalten. Aber hinter den Kulissen haben die Arbeitsbienen doch relativ effektiv und eifrig das Tagesgeschäft erledigt. Die Koalition war also bei Weitem nicht so schlecht wie ihr Image. Selbst wenn Einige während der letzten acht Jahre doch die Erkenntnis hatten, dass die Zusammenarbeit doch nicht so schlecht war, darf einfach nicht sein, was nicht sein darf. Diese Situation hat ein bisschen etwas von Capulet vs. Montague, wo so mancher gar nicht mehr weiß wieso man sich nicht mögen darf, obwohl man sich miteinander doch wohler fühlte als erwartet.

 

Nun ist es so, dass die SPD ständig in Richtung Grüne, und die CDU in Richtung FDP schielen. Dabei hat sich in der Merkel-Ära tatsächlich ein Dauerbündnis herauskristallisiert, dass trotz aller Widerworte und allen Widerstands doch zusammengehalten hat – im Prinzip sogar länger als das "erlaubte" Bündnis von Rot/Grün. Das mag sicher auch daran liegen, dass die CDU unter Angela Merkel stark nach links verlagert wurde und sich somit die beiden Parteien gar nicht mehr so unähnlich sind – man wollte es nur nie wahrhaben. Das einzige was jetzt noch gegen dieses Bündnis spräche, ist die Tatsache, dass die beiden größten Parteien einfach keine starke Opposition zulassen. Aber ist das noch der Fall, oder galt das zu einer Zeit als dies wirklich die beiden größten Fraktionen waren? Es ist ja schon seit längerem so, dass die Grünen in den Werten vor der SPD liegen. Somit wäre Schwarz/Rot nicht mehr eine Koalition aus den beiden größten Fraktionen. Dazu kommt noch, dass auch die CDU bei Weitem nicht mehr die Ergebnisse erziehlt wie noch vor 10 Jahren. Wenn man nun noch bedenkt, dass es nach aktuellen Umfragen für Schwarz/Rot gar nicht reichen würde, kann also an dieser alten Vorstellung nicht mehr festgehalten werden – das ist ein Ding der Vergangenheit. Genaugenommen müsste jetzt Schwarz/Grün als Große Koalition bezeichnet werden, weil dies die stärksten Fraktionen sind. Aber man muss sich wirklich klarmachen,  dass die Zeiten von einer CDU mit 40% und einer SPD mit 32% vorbei sind. Somit bleiben bei der Opposition noch genug Sitze um einer stabilen Regierung die Stirn zu bieten, egal ob die Koalition aus Schwarz/Rot oder Schwarz/Grün besteht.

 

Ich finde die Damen und Herren in CDU und SPD, und allen Medienhäusern, sollten unbedingt mal insich gehen und aufgrund der geänderten Faktenlage die letzten 8 Jahre neu bewerten. Die Argumente die bislang gegen ein Bündnis von CDU und SPD angeführt wurden entbeheren mittlerweile jeglicher Grundlage. Sowohl CDU als auch SPD haben mittlerweile auch andere Konkurrenten als noch vor 20 Jahren. Die CDU bekam damals noch keinen Druck von Rechts, der jetzt von der AFD ausgeht, und die SPD konnte sowohl Die Linke als auch Die Grünen müde belächeln. Die Grünen würden mittlerweile vermutlich auch mit der CDU koalieren und der SPD kalt den Rücken kehren. Ob somit die Loyalität den Grünen gegenüber seitens der SPD weiterhin richtig ist, halte ich für fraglich. Die CDU hingegen weiß, dass ihre Wahlergebnisse auch so schlecht sein werden, dass die FDP als Zünglein an der Waage einfach nicht ausreichen wird. Keine der beiden aktuellen Regierungsparteien braucht sich also der Illusion hingeben auch nur den Hauch einer Chance zu haben, alleine zu regieren. Warum also sollte man sich in der Politik nicht neu verlieben dürfen, und dabei eventuell die Liebe fürs Leben zu finden?

 

Ich finde die Große Koalition hat besser und effektiver gearbeitet als es sich alle Beteiligten eingestehen wollen. Und das obwohl man offiziell immer gegeneinander arbeiten musste. Wie effektiv wäre Schwarz/Rot wohl, wenn man in einer freundschaftlichen Partnerschaft zusammenarbeiten dürfte? Vorallem sollten CDU und SPD auch endlich anfangen sich jeweils Gedanken darüber machen wie es ihrem bisherigen (und vielleicht auch zukünftigen) Koalitionspartner aktuell geht, denn die CDU hätte in einer gestärkten SPD eine echte Option. Das gleiche gilt auch für die SPD. Die SPD muss endlich verstehen, dass sie von einer starken CDU profitieren kann. Der Hintergrund dabei ist, dass wenn sowohl CDU und SPD weiterhin absacken, geht es nicht mehr darum ob Rot/Grün oder Schwarz/Gelb das Rennen macht. Dann wären nämlich sowohl Rot als auch Schwarz aus dem Rennen, denn die Grünen würden wohl kaum zögern, wenn es für eine Koalition mit Der Linken und der FDP zu einer grünen Kanzlerschaft ausreichen würde.

 

Ich würde mir in CDU und SPD mehr Bewusstsein für die aktuelle Situation wünschen, denn eine grüne Kanzlerschaft muss um jeden Preis verhindert werden.

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