Exponentielles Wachstum, wo denn?

Ich warte und warte und warte; ich bereite mich darauf vor; ich höre Politiker und Virologen sprechen; und es soll kommen: das exponentielle Wachstum bei den Infektionszahlen. Aber wo ist es denn?

 

Was wurden uns von Lauterbach, Drosten Wieler und Co nicht alles für Horroszenarien vorgezeichnet. Bis Mitte April sollten wir Inzidenzen von bis zu 500 haben. Intensivstationen würden dann um die Triage nicht herumkommen, und das Pandemiegeschehen wäre dann nicht mehr zu kontrollieren, geschweige denn aufzuhalten. Aber die Politik trödelt und entscheidet nix; das Gejammer der Experten wir immer vehementer und trotzdem wird nichts entschieden. Aber, oh Wunder: wir dümpeln bei den Inzidenzen trotzdem immer noch bei 160 herum. Es stimmt schon, dass die Infektionszahlen steigen, aber nicht jedes "Wachstum" ist gleich ein exponentielles Wachstum.

 

Aber es ist wieder einmal so, dass inflationär benutzte Begriffe sich so manifestieren, dass man sie regelrecht reflexartig nutzt. Gleiches haben wir schon mal mit dem Wort Populismus erlebt. Ist dies doch lediglich eine neutrale Bezeichnung für eine dem Volk nach dem Mund redende Stimmungsmache, um bestimmte Ziele politisch durchdrücken zu können, wurde dieser Begriff aber jahrelang als politisch "rechts" benutzt. Eine Verwendung dieses Begriffs als Öko-Populismus ist schon fast nicht mehr möglich. Gleiches passiert hier gerade, weil der Begriff "Wachstum" im Zusammenhang mit der Pandemie immer mit dem Zusatz "exponentiell" genutzt wurde. So wird dieser Begriff mittlerweile bei jeglicher Art von Wachstum auch von einer Vielzahl der Verantwortlichen reflexartig als "exponentielles Wachstum" bezeichnet – vermutlich auch von Personen die den Unterschied nicht verstanden haben.

 

Nur noch mal zur Klarstellung für die jenigen, die es nicht wissen: das exponentielle Wachstum ist nicht einfach nur eine Erhöhung der Zahlen, sondern ein bestimmtes mathematisches Modell bei dem sich in regelmäßigen Intervallen die Zahl nicht nur stetig erhöht, sondern vervielfacht. Da wird nicht aus 1 irgendwann 2, aus 2 dann 3 und aus 3 dann 4, sondern hier wird aus 1 dann 2, aus 2 dann 4 und aus 4 dann 8 und aus 8 wird 16. Bei solch einem Wachstum müssten wir aber von Woche zu Woche Inzidenzzahlen erleben, bei denen aus 1000 dann 2000, und aus 2000 irgendwann 4000 werden müssten. Ein solches Wachstum ist absolut nicht sichtbar. Sieht man sich die Zahlen der letzten 8 Wochen an, sieht man, dass natürlich ein stetiges Wachstum zu verzeichnen ist, aber von einer Vervielfachung der Zahlen sind wir Lichtjahre entfernt. Das würde nämlich bedeuten wir könnten nicht seit mehreren Wochen Fallzahlen von um 14.000 bis 19.000 haben, sondern aus den 15.000 von vorletzter Woche hätten letzte Woche schon bei 30.000 werden müssen und wären diese Woche bereits auf 60.000 angestiegen. Das ist aber offensichtlich nicht der Fall. Also kann man, trotz Wachstum, keinesfalls von einem exponentiellen Wachstum sprechen. Aktuell zeigt sich auch keine exponentielle Beschleunigung an, sondern, das Wachstum scheint sich auf diesem Niveau weiter nach oben zu schrauben. Das Problem hierbei liegt aber darin, dass die Forderungen nach einen Brücken-Lockdown oder anderen Verschärfungen genau auf diesem nicht erkennbaren exponentiellen Wachstum basieren, welches irgendwann nicht mehr kontrollierbar wäre. Deshalb bestünde dringend Handlungsbedarf. Diese Grundlage scheint aber bei weitem nicht gegeben. Das bemängeln sowohl die Opposition als auch etliche Experten, welche dann aber wiederum als "Pseudoexperten" abgestempelt werden.

 

Ich finde im Kollektiv wird hier Sorge mit Panik verwechselt. Auch ich bin besorgt und finde die Zahlen alles andere als beruhigend. Aber einen Grund zu einer ausgewachsenen Panik sehe ich nicht. Auch ich verstehe, dass die Situation auf den Intensivstationen sicherlich kein Wellness ist. Dass dort der Druck steigt ist klar. Was ich aber auch weiß, ist, dass wir zeitweise Zahlen weit über 6000 hatten und es trotzdem zu keiner Triage-Situation kam. Im Gegenteil: wir haben zu diesen Zeiten sogar Fälle aus Belgien und Frankreich aufgenommen. Ich will damit sagen, dass ich den Druck verstehe, aber trotzallem muss klar sein, dass wenn bei den Infektionszahlen kein exponentielles Wachstum besteht, kann auch den Intensivstationen auch kein exponentielles Wachstum vorherrschen, zumindest nicht in Bezug auf die Coronafälle.

 

Was bei diesem Thema auch wichtig ist, ist die Tatsache, dass wir die aktuellen Probleme in der Medizin nicht haben weil wir zu wenige Intensivbetten haben. Davon hätten wir genug. Wir haben leider kein Personal dafür um diese Betten zu betreuen! Mediziner und Pflegeleute haben schon lange vor Corona lautstark bemängelt, dass das Gesundheitssystem in den letzten Jahrzehnten schrittweise kaputtgespart wurde. Pflegekräfte werden nicht durch Corona sondern durch gewinnorientiertes Wirtschaften eingespart und die Verbliebenen werden regelrecht aufgearbeitet. Man erinnere sich an die TV-Sendung Wahlarena in 2017 als ein junger Pfleger Angela Merkel sehr emotional aufgezeigt hatte was im Pflegesektor los ist. Zu diesem Zeitpunkt war schon offensichtlich auf welche Situationen wir im Ernstfall zusteuern. Da wirc aber zu diesem Zeitpunkt in unserer Blauäugigkeit uns in trügerischer Sicherheit gewähnt haben, ist dort dieser Hilferuf einfach ignoriert worden. Jetzt während der Pandemie ist genau dieser Ernstfall eingetreten und es holt uns genau dieses Versäumnis schmerzhaft ein. Jetzt davon zu sprechen die Pandemie bringe uns an unsere Grenzen ist lachhaft. Es ist unsere gierige Art aus Allem ein Business zu machen. Es ist die Tatsache, dass sich die Betriebswirtschafter in allen Belangen unserer Gesellschaft durchgesetzt haben, und mit ALLEM Geld verdient werden muss was uns jetzt auf die Füße fällt. Mit dieser Mentalität haben wir aus Kostengründen jahrzehnte lange Rinder und Schweine zum Schlachten hunderte von Kilometer durch de Welt gefahren und damit gequält, nur um daran noch ein paar Cent einzusparen. Genau diese raffgierige Mentalität erfahren wir jetzt auf den Intensivstationen am eigenen Leib. Dies dann auf Corona zu schieben, ist fadenscheinig und verlogen! Wer noch mehr Beispiele braucht, der muss sich nur fragen warum wir zu Pandemiezeite feststellen müssen, dass wir in Deutschland keine Produktion von medizinischen Gütern mehr haben und dies auch von deutschen Firmen alles in Fernost hergestellt wird. Auch das ist auf das gewinnorientierte Wirtschaften zurückzuführen, denn auch hier wurden ein paar Cent pro Palette eingespart und der wirtschaftliche Nutzen den echten sozialen Bedürfnissen übergeordnet.

 

Aber so wie ich uns kenne, sind wir weitaus weniger lernfähig als uns lieb ist. Es gab ja schon Erklärungen von Historikern, Soziologen und Philosophen, dass es menschliches Verhalten ist, in einer Krisensituation die Langzeitlösung erst einmal auszublenden, denn man begibt sich erst einmal Krisenmodus um dort kurfristige Lösungen zu installieren. Die langfristige Lösung würde man dann nach der Krise installieren um das System langfristig vor solchen Krisen zu schützen. Paradoxerweise entsteht aber nach der Krise eine so krasse Entspannung, dass man sich erstmal zurücklehnt und sich unmittelbar des Drucks so stark entledigt, dass dabei auch die Dringlichkeit für die nachhaltige Lösung zu verschwinden scheint, so dass die angedachte Langzeitlösung leider wieder nicht umgesetzt wird. Wir werden also auch nach dieser Pandemie wieder nichts dazugelernt haben. Das beste Beispiel sind hier die jüngsten Äußerungen von Karl Lauterbach zur Problematik, dass viele Kinder während der Pandemie adipös geworden sind. Dies möchte er nämlich nicht aktuell angehen, sondern nach der Pandemie. Hier wird also auch nichts passieren.

 

Alle unsere Experten, sind zu sehr auf ihre eigene Expertise fokussiert und haben nicht das große Ganze im Blick. Wir sind einfach zu kurzsichtig um langfristig zu handeln. Das werden wir auch in Zukunft immer wieder bereuen!

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