Mein "falsches Leben".

Es sind schon verrückte Tage, Wochen und Monate in denen wir leben. Alles scheint sich irgendwie immer stärker zu polarisieren und Meinungen gehen immer weiter auseinander. Grundsätzlich finde ich unterschiedliche Meinungen ein gutes Zeichen für eine funktionierende Demokratie, denn das bedeutet die Meinungsfreiheit ist gegeben. Diese Freiheit verkehrt sich aktuell in bestimmten Themen aber stark ins Gegenteil und stellt für mich den krassen Gegensatz zu unserer freien Gesellschaft dar. Und an einem bestimmten Punkt hört für mich der Spass einfach auf.

 

Erst kürzlich habe ich den Begriff "woke" zum ersten Mal gehört. Der bezeichnet Menschen die sich wohl als besonders aufmerksam und bewusst verstehen. Davon war ich erstmal relativ unbeeindruckt, da es ist ja zunehmend so ist, dass wir unsere Freiheit alleine schon dadurch einbüßen, dass wir für alles ein Wort brauchen. Es können Dinge nicht mehr einfach frei passieren, sondern sie brauchen unbedingt eine Begrifflichkeit und müssen somit in ein Raster gepresst werden. Dass wir alle zur Schule gehen (und gingen) um danach keine total abgestumpften Dummbatzen zu sein, ist ja nichts neues. Aber jetzt sind diese Menschen plötzlich "woke" und fühlen sich automatisch ganz außergewöhnlich. Gleiches gilt für Leute die nicht genug Willensstärke haben um auf Fleisch vollständig zu verzichten, und sowohl Gemüse als auch Fleisch essen. Sie schielen schon lange neidvoll auf das Wort "Vegetarier". Da sie sich als Teilzeit-Aasfresser natürlich nicht Vegetarier bezeichnen können, haben sie sich kurzerhand zu "Flexitariern" erklärt. Früher nannte man das einfach ausgewogene Ernährung. Aber gut, soll jeder machen dürfen was er will und mag. Wo ich aber wirklich einen riesen Hals bekomme, ist, wenn diese Menschen glauben für alle anderen vorgeben zu können was richtig und was falsch ist, und plötzlich deren Lebensstil zum Rezept für eine perfekte Gesellschaft erklärt werden soll. In den meisten Fällen sind das Menschen die noch noch nicht mal im Berufsleben stehen, noch keine Verantwortung für eine Familie haben und bei ihrem Alter vorne noch eine 1 oder maximal eine 2 haben. Hier wird die gerade erlangte "Bildung" und die jugendliche Arroganz ganz oft mit Lebenserfahrung verwechselt. Sehr schnell werden hier die "Grauhaarigen Männer" zum Buhmann oder gar Feindbild erklärt.

 

Ein gutes Beispiel ist hier Fridays for Future. Grundsätzlich finde ich Umweltschutz nicht verkehrt, aber diesem bedingungslos alle Belange unserer Zivilisation unterzuordnen ist nicht nur kurzsichtig, sondern auch brandgefährlich. Selbstverständlich lohnt es sich auch dafür zu kämpfen, aber um dieses Problem zu lösen reicht es nicht freitags die Schule zu schwänzen. Es bedarf eines gewissen Weitblicks und viel Lebenserfahrung. Natürlich kann man auf die Straße gehen und in jugendlich naiver Wut skandieren, dass wir "Alten" mit deren Zukunft spielen und sie ein Recht auf ihre Zukunft haben. Darauf möchte ich aber entgegnen, dass ich auch noch nicht vorhabe zu sterben, und es somit auch genauso meine Zukunft ist, nicht nur die der Jugend. Also habe auch ich ein Recht darauf diese Zukunft nach meinen Vorstellungen mitzugestalten. Dazu kommt, dass meine Generation und die Generationen vor mir, für den extremen Wohlstand gesorgt haben von dem diese Kinder massiv profitieren. Die Entscheidungen und Weichen die von uns getroffen und gestellt wurden, sind es erst gewesen, die diese demonstrierenden Horden in die komfortable Position gebracht haben auf die Straße gehen zu können – das ist weder selbstverständlich noch vom Himmel gefallen. Dass sie diese darin verborgene Heuchelei nicht erkennen wollen, zeigt die Unreife dieser Klientel. Dass wir, und die Generationen davor, Fehler gemacht haben ist nicht von der Hand zu weisen, aber dafür anblaffen lassen müssen wir uns nicht. Vor 70 Jahren gab es noch nicht so viele Auslandssemester, Sabbaticals und "Findungsjahre" wie in der heutigen Zeit. Diese Generation-FFF möchte uns wegen unserem Urlaub das Fliegen verbieten, aber fliegt ohne schlechtes Gewissen in das eigene Auslands-Studienjahr. Sie möchten uns das Auto verbieten, aber verstehen nicht, dass ihr Handy und Social-Media eine annähernd vergleichbare Dreckschleuder mit ähnlichem Energieverbrauch ist. Wenn ich auf mein Auto verzichte, würde diese heranwachsende Generation dann im Gegenzug auf ihre Smartphones und Computer mit Social Media verzichten? Es ist natürlich sehr leicht, bei anderen Entbehrungen einzufordern wenn sie einen selbst nicht betreffen. Aber unsere Umwelt erstickt nicht nur an den Autos. Man kann sich natürlich von den Grünen und Umweltverbänden für so etwas wie Umweltschutz vor deren Karren spannen lassen, aber dann sollte man nicht Einen auf "woke" machen, sondern sollte anerkennen, dass man doch nur ein Mitläufer ist, der einfach alles nachplappert was man vorgebetet bekam.

 

Darauf würde ich auch gleich die Frage stellen, welche Leistung ein Schüler für die Gesellschaft bislang erbringen musste? Da ich viel in die Schule meine Tochter eingebunden bin und dort 9. und 10. Klassen in technischen Arbeitskreisen betreue, beobachte ich aufmerksam und höre auch sehr genau zu, was dort gesprochen wird. Das Meiste was ich dort höre ist aber nicht, dass man als Schüler die Schule bereits als seinen Anteil an der Gesellschaft versteht – quasi als seinen "Vorjob". Mir fällt eher auf, dass sich auch hier über alles Mögliche beschwert wird. Das Wenige an Verantwortung was ein Schüler hier übernehmen muss, wird nicht mit Demut und Pflichbewusstsein angenommen sondern als Bürde verstanden – unwissend welche echte Bürde es ist, Verantwortung für eine Familie zu übernehmen und dies so ausgesprochen gut zu machen, dass dies dem Heranwachsenden gar nicht bewusst wird. Dabei zusätzlich noch einer Arbeit nachzugehen und damit seinen Teil zum Bruttosozialprodukt beizutragen und Deutschland zu einem der Länder mit dem höchsten Lebensstandard zu machen ist nicht einfach. Davon macht sich ein Jugendlicher oder Studierender noch gar keine Vorstellung. Aus dieser komfortablen Position heraus schlau daherzureden und alle belehren zu wollen ist einfach nur unreif. Dass deren Position so unbekümmert sein kann, dass sie sich in ihren jungen Jahren mit Gendern, Umweltschutz und anderen Dingen beschäftigen können, bedeutet nichts anderes, dass wir als arbeitende "Alten" die Verantwortung übernehmen, damit dieses Land am Leben erhalten wird. Wir haben dafür gesorgt, dass wir nicht im Krieg leben. Wir haben dafür gesorgt, dass Bildung wie selbstverständlich ist. Wir haben dafür gesorgt, dass sie abends sicher auf sie Straße können und nicht zuletzt haben wir dafür gesorgt, dass sie ihre Gesellschaftsfantasien auf Demonstrationen voll ausleben können, ohne sich um ihre eigenen Lebensunterhalt kümmern zu müssen. Das dankt man uns dann damit, dass man Oma schnell mal zu Umweltsau erklärt. Hier werden Stereotypen geschaffen, die ein Bild vom SUV-fahrenden grauhaarigen Rentner zeichnen, der rücksichtslos mit einer Nach-Mir-Die-Sintflut-Mentalität durchs Leben braust. Dem ist mitnichten so. In jüngsten Umfragen hat man nämlich festgestellt, dass Ältere in der Tat weitaus mehr zum Verzicht bereit sind, als die jungen Generationen. In deren Milieus wird Verzicht nämlich lediglich mit dem Auto in Verbindung gebracht. Dass es hier auch noch viele andere Aspekte gibt, die für unsere Umwelt absolut schädlich sind, und auch von den jungen Leuten begangen werden, wird lückenlos ausgeblendet.

 

Ich weiß natürlich, dass an meinem Lebensstil vieles nicht perfekt ist. Ich besitze aber dafür auch nicht die Arroganz mich für perfekt zu halten. Ich bin auch nicht so verblendet, dass ich glaube würde, mit der Abschaffung des Verbrennungsmotors plötzlich Perfektion zu erlangen. Ich bin ein Mensch mit Schwächen und Fehlern, und ich kann das gut akzeptieren. Man mag mir dabei unterstellen, dass ich vor dem Prozess der Weiterentwicklung – hin zur Perfektion – kapituliert habe. Das mag sein. Aber ich habe trotzdem kein schlechtes Gewissen. Das bekäme ich nicht einmal, wenn mir diese Naseweise nachweisen könnten, dass deren Öko-Ideologie funktionieren und zweifelsfrei zum Erfolg führen würde. Daran habe ich aber erhebliche Zweifel, weil diese bei genauerer Betrachtung allesamt offenkundig zu kurz gedacht sind. Gleiches gilt für die Cancel-Culture, die Gendersternchen und soziale Neiddebatten. Allesamt werden von Menschen befeuert die offensichtlich nie mit echten Problemen fertig werden mussten und sich auf diese verweichlichte Art und Weise zum Hüter der Moral aufspielen. Es kann doch nicht sein, dass ein Herr Schleich in einem Sketch sich nicht farbig anmalen darf? Dass ich das persönlich nicht lustig finde lasse ich mal außer acht, aber wenn wir alle unsere Migranten, Schwulen, Frauen und Behinderte in Watte packen wer bleibt dann noch? Und warum darf man über den Rest dann auf einmal lachen und über die anderen nicht? Ist das nicht auch Diskriminierung dem Rest gegenüber? Wenn diese sich auch noch echauffieren, dann können wir Witz und Satire gleich abschaffen. Ich sage es ganz deutlich: dass man mal das Opfer eines Witzes wird, das muss man aushalten oder sich einen Strick nehmen.

 

Deshalb mag ich mein Leben so wie es ist, mit allen Imperfektionen, aller Nachlässigkeit und mit allen Schwächen. Ich fahre weiterhin mit meinem Wohnmobil in den Urlaub, ich werde nicht gendern und ich esse weiterhin Fleisch. Ich bestelle mein Mohrenkopfbrötchen mittlerweile in einem Mohnbrötchen, und kann somit ohne Schuldgefühle ein Mohnkopfbrötchen genießen. Da ich in meiner Kindheit mit ganz vielen Sinti im Freundeskreis aufgewachsen bin, und sich diese selbst als Zigeuner bezeichnet haben, habe ich auch kein schlechtes Gewissen wenn ich kein Paprikaschnitzel zubereite sondern wirklich das Zigeunerschnitzel. Und gelegentlich mache ich auch mal einen geschmacklosen Witz. Das macht mich nicht zum Unmenschen.

Ich wandle auf diesem Planeten seit 47 Jahren und weigere mich mir von Unreifen sagen zu lassen, was richtig und was falsch ist. Wer mir sagen möchte wo ich fehlgeleitet bin, der möge mir bitte mit vergleichbarer Lebenserfahrung entgegentreten oder respektvoll seine Klappe halten.

 

Ich tröste mich mit dem Gedanken, dass diese Jugendlichen irgendwann auch reifer werden, Verantwortung übernehmen müssen und feststellen werden, dass die jugendlichen Ideale allesamt naiv waren. Ich kann es abwarten. Aber bis dahin bleibt das Ruder bitte in der Hand der Erwachsenen!

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