Der erste Blick ist nur der erste Blick – mehr nicht.

Hach, war das schön! Liebe Sachsen-Anhalter, das habt ihr super gemacht, ich könnte euch alle küssen! Die gestrige Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat alle Träumer wieder auf den Boden der Realität zurückgeholt. Was aber viel wichtiger ist: es hat sich eine bestimmte Sache ganz klar herauskristallisiert.

 

Ich war noch nie ein großer Freund von Meinungsumfragen und Trends. Dieses stupide Zahlengeschubse und Analysenauswerten, ist mir persönlich extrem fremd. Ich empfinde es als das krasse Gegenteil von leben. Während Realisten sich dem Leben stellen und dann sehen was dabei rauskommt, ist das Dasein von Statistikern eher von Feigheit geprägt. Von der Verweigerung, sich einem echten Resultat stellen zu müssen, geprägt, flüchtet man sich in Modelle, Zahlen, Analysen und Umfragen, immer in der Hoffnung genau das Ergebnis zu bekommen, mit dem man am Ende gut leben könnte. Aber das Leben funktioniert leider nicht so, dass man unliebsamen Ereignissen oder Resultaten mit Hochrechnungen und Antizipierungen aus dem Weg gehen könnte. Die Dinge kommen eher so wie sie kommen. Sicherlich kann ich in die Welt hinausgehen, ein paar Leute befragen und damit ein Stimmungsbild zeichnen. Aber selbst dabei laufe ich Gefahr, dass ich unterbewusst Einfluss auf das Ergebnis nehme, in dem ich mir aussuche wo ich meine Fragen stelle, was sich unweigerlich auf die Antworten auswirken kann. Selbst wenn ich dann über die gewonnenen Antworten bestimmte Prognosen bekomme, die mir genau das sagen was ich mit jeder Faser meines Seins erhoffe, heisst das nicht, dass dies am Ende auch so eintreten wird. Ich unterstelle den Statistikern dabei auch keine böse Absicht oder gar eine Agenda. Ich glaube, dass uns hier unser Unterbewusstsein in gewisser Weise ein Schnippchen schlägt und einen Weg vorgibt, den wir dann auch gerne gehen – immer im Glauben der Weg wäre natürlich neutral und unbefangen gewesen. Aber so etwas wie Unbefangenheit halte ich im Allgemeinen für unmöglich. Wir sind immer befangen.

 

Aber warum erkläre ich das?

 

Ich denke, dass sowohl Politik als auch Medien, oder auch Umfrageinstitute, eine wichtige Sache nicht wahr haben wollen: wir sind nicht alle gleich! Und ich meine das nicht wertend. Ich meine damit nicht, dass einige besser sind als andere. Wenn ich sage anders dann meine ich lediglich anders. Verweigere ich mich dieser Realität entgeht mir glatt, dass wir eben NICHT in einer "idealen" Welt leben, in der Einer vorne das Ziel vorgibt und alle anderen der gleichen Auffassung sind und bedingugslos folgen. Wir als Deutsche sollten wissen, dass wir damit bereits schlechte Erfahrungen gemacht haben. Somit lebt unser Land eher davon, dass unterschiedliche Menschen auch unterschiedlich denken, unterschiedlich leben wollen und auch unterschiedliche Ängste haben. Durch unser Land gehen soviele unsichtbare Trennlinien die unsere Politik nicht wahrhaben will – je linker die Partei desto weniger können oder wollen sie dies erkennen. Aber wir haben diese Trennung. Manchmal ist sie geologisch wie Nord und Süd; manchmal von der Sozialisierung, wie Ost und West; demografisch zwischen alt und jung; aber manchmal auch ideologisch, politisch, sexuell oder auch sozial. Die Facetten der gravierenden Unterschiede sind so mannigfaltig, dass viele damit überfordert scheinen, nur um im Zuge der Gentrifizierung einfach alles zu ignorieren und für das gesamte Land ein Leitbild vorzugeben das für alle funktionieren soll. Da packen wir dann alles rein: wie muss ich über Frauen, Migranten, Schwule und Lesben denken und in welcher Sprache soll bzw. darf ich das? Wo wir schon dabei sind alles zu ändern, werfen wir noch ein paar Transgender, SUV-Fahrer, Fleischesser und andere "Schwierige" mit in den Topf und fertig ist das moderne, weltoffene Weltbild. Aber irgendwie fühlt es sich wieder an, als käme ich erneut bei unserem kapitalsten Fehler raus, den wir zwischen 1938-1945 begangen haben - Eine steht vorne und schwingt große Reden und alle anderen sollen bedingungslos folgen. Die Furcht der linksliberalen Milleus, dass es Menschen gibt die anders denken als sie, halte ich für deren größte Schwäche. Ich glaube nämlich fest daran, dass unser größtes Kapital und unsere effektivste Waffe zur Verteidigung unserer Freiheit die Tatsache ist, dass wir alle denken – egal was das im Einzelnen ist. Das bedeutet nämlich, dass wir keine Drohnen sind. Nur wenn ich diese Erkenntnis zulasse, dann kann ich akzeptieren, dass in unterschiedlichen Teilen Deutschlands auch unterschiedlich gedacht wird. Aber was hat das jetzt wiederum alles mit Umfragen zu tun?

 

In meinem Buch "Im Kopf eines Bürgers" widme ich dem Menschen und seinen negativen Eigenschaften weite Teile meiner Gedanken. Aber ich möchte hier darauf eingehen, dass wie bereits oben erwähnt, viele Trennlinien durch unser Land gehen. Was in meinen Augen dabei am offensichtlichsten ist, aber immer als erstes ignoriert wird, ist die Trennlinie zwischen den urbanen und den ländlichen Räumen. Da das Regieren, auch in den Bundesländern, meist in Ballungszentren gemacht wird und niemals direkt auf dem Land wird immer von der Stadt in Richtung Land gedacht, nie umgekehrt. Da sich die Städter schon immer den Landeiern überlegen gefühlt haben, wurde in Regierungskreisen immer einfach für die Provinzen mitentschieden, aber nie wirklich ernsthaft für die ländlichen Regionen mitgedacht. Die Städter brauchen Strom, ok, dann stellen wir auf dem Land halt einfach hunderte dieser hässlichen Windräder auf. Die Städter wollen sauberere Luft, also verbieten wir einfach Verbrennungsmotoren. Die urbanen Hipster wollen alles in Bio, na dann erklären wir den Landwirten mal schnell ihr Handwerk und erklären ihnen wie Landwirtschaft auszusehen hat. Die Städter wollen die Bienen retten, also zwingen wir die Bauern Wiesen bereitzustellen, während man in der Stadt weiterhin seine Hecken kurz, und die Vorgärten mit Kiesflächen pflegeleicht hält.

Um den ländlichen Bereichen dann vorzugaukeln man hätte sie und ihre Probleme nicht vergessen, wirft man ihnen sowas wie die Pendlerpauschale hin und glaubt allen Ernstes man hätte die Bedürfnisse der Dorfbevölkerung damit verstanden und die Bürger beschwichtigt.

Vor den Wahlen wollen plötzlich alle Wissen wie es für die einzelen Parteien steht. Wessen Geschwätz konnte die eigene Wählerschicht überzeugen und wo konnte man den anderen Parteien noch ein paar Wähler abluchsen. Wenn nun die TV-Sender ihre Teams in die Einkaufsstraßen von Berlin, Köln, Hamburg und München schicken um Meinungen der Bürger einzufangen, dann zeigt sich warum Umfragewerte keinen Fliegenschiss wert sind: denn aus der Faulheit heraus schicken die Sender ihre Teams nur vor die Tür in die Innenstädte und können so auch nur ein Stimmungsbild der urbanen Gegenden abbilden. Dass diese Bevölkerungsschicht, die sich für höher gebildet, besser informiert und reflektiert hält, oftmals eher links und grün denkt bzw. lebt, ist erwiesen. Das hat natürlich zur Folge, dass solche Umfragen eine politische Stimmung abbilden die nach Wechsel und Erneuerung in Sachen Klima und Gentrifizierung schreit – logisch. Aber bei diesen Umfragen vergisst man schnell, die unliebsamen Wahrheiten: auch wenn wir das nicht wahrhaben wollen, haben wir Migranten-Ghettos, haben Bezirke in denen 90% der Bevölkerung von Hartz 4 lebt und wir haben in weiten Teilen Deutschland Landbevölkerung. Und bei diesen Bevölkerungsgruppen haben die Themen Klimaschutz, Gendergleichheit oder bestimmte Luxusprobleme wie das Gendersternchen einen weniger hohen Stellenwert als in akademischen Millieus der Großstädte.

 

Ein gutes Beispiel ist München. Seit Jahrzehnten wählt die Bevölkerung in dieser Metropole eher sozialdemokratisch/ links und etwa genauso lange hat München auch schon rote Bürgermeister. Trotzdem ist die Landesregierung in Bayern seit jeher CSU geprägt. Warum? Weil die progressive Einstellung der Wählerschaft in den urbanen Regionen nicht so sehr auf die gesamte Bevölkerung und Fläche des Landes einzahlt, wie das in Umfragen immer aussieht. Und das, meine Damen und Herren, ist das was wir in Sachsen-Anhalt zu sehen bekommen haben. Nichts anderes als, dass wir immer wieder unterschätzen wie viele ländliche Regionen wir in Deutschland haben, und, dass man dort in der Tat anders denkt als in der Stadt. Es reicht einfach nicht aus, Politik für die Metropolen zu machen, und zu glauben das dumme Landvolk würde schon auf die klugen Städter hören. Es ist genau umgekehrt: die Menschen in den Städte sollten endlich erkennen, dass dies nicht nur ihr Land ist, sondern, dass andere auch noch Teil dieser Gesellschaft sind und deren Rechte den eigenen Rechten in nichts nachstehen. Wichtig ist hier auch zu erwähnen, dass Sachsen-Anhalt zwar nicht direkt mit Bayern oder Baden-Württemberg vergleichbar ist, aber im direkten Vergleich zu Berlin und Hamburg, wo der Großteil der Wähler in Ballungszentren lebt, merkt man, dass Sachsen-Anhalt kein exotisches oder gar einzigartiges Bundesland ist. Die Grünen spielen also bundesweit immernoch eine wesentlich untergeordnetere Rolle, als ihnen lieb ist. Ob das Aufstellen einer eigenen Kandidatin ein Akt von Größenwahn war, werden wir nach der Wahl beurteilen müssen. Es riecht aber jetzt schon so...

 

Mal abgesehen davon, dass die Kanzlerkandidatin der Grünen gerade erst angefangen hat Fehler zu machen, war die Stimmung im Land niemals wirklich so euphorisch-grün wie uns das die Medien weiss machen wollten. Es war ja schließlich kein Geheimnis wer die Vorsitzende der Grünen ist. Somit war es auch kein Geheimnis, dass ihre Chance auf die Kandidatur mindestens 50% war. Wer dazu noch bei Verstand war, wusste, dass mit einem grünen Mindset, die Wahl niemals auf einen Mann fallen konnte, wenn gleichzeitig auch eine Frau zur Wahl steht. Also wo war hier die große Überraschung, dass Baerbock nominiert werden würde? Wenn es also keine Überraschung war, dass sie die Kandidatin werden würde, wo sollte plötzlich der Boost in den Umfragen herkommen? Das war nichts weiter als eine Illusion um der neugewonnenen Überheblichkeit den richtigen Spirit zu verleihen; herbeigeredet und herbeigewünscht von den Grünen, den Umweltverbänden und den sympathisierenden Journalisten – die zumeist auch aus den Metropolen kommen und eben nicht vom Land. Ich wage deshalb die steile These, dass selbst wenn Baerbock in ihrer Arroganz nicht so dilletantisch agieren würde, die Umfragen ziemlich rasch wieder in den Keller gegangen wären.

 

Der Boden der Realität ist nunmal der Boden der Realität. Gewählt wird Ende September, dann sehen wir wie grün Deutschland wirklich ist. Liebe Medien spart euch bitte die Zeit für Umfragen, Erhebungen und Prognosen und nutzt die Zeit um den Kontrahenten auf den Zahn zu fühlen, um herauszuarbeiten wofür sie wirklich stehen und wie es um ihr Verständnis von Demokratie bestellt ist. Wahrscheinlich genügt uns Deutschen dann doch Schwarz als dunkles Grün völlig.

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