Der mysteriöse Siegeszug der SPD.

Seit einigen Wochen fragt man sich, wieso die SPD so krass auf der Siegerstraße ist. Liegt es an Scholz? liegt es an der schwachen CDU? Daran, dass die Schere zwischen Reich und Arm immer weiter aufgeht? Nichts der gleichen. Dazu müssen wir die Geschichte von beiden Enden aus beleuchten.

 

Am einen Ende sind die Parteien selbst. Die SPD war vor langer Zeit die Partei für die Arbeiterklasse. Die meisten in einer Gewerkschaft organisierten Bürger waren in den Zeit der 60er bis 80er Jahre tatsächlich Wähler der SPD. Damals war dies auch der erkennbare Markenkern dieser Partei. Irgendwann sind dann die Grünen auf der Bildfläche erschienen und waren wohl die erste aller Ein-Themen-Parteien. Sie interessierten sich nicht für Vieles, es ging ihnen ausschließlich um grüne Themen. Sie schärften bei den Themen Atomkraft, Waldsterben und Ozonloch das Bewusstsein der Gesellschaft, in dem sie in den Landtagen für Aufruhr sorgten – wofür zum damaligen Zeitpunkt schon offene Schuhe, Strickutensilien und eine Blumenvase am Sitzplatz ausreichten. Diese Grüne Partei weitete sich mit Greenpeace und anderen Organisationen zu einer echten Bewegung, ja fast schon einer Ideologie, aus. Das war vom Alltag der Menschen aber teilweise sehr weit weg. Nicht jeder hat einen sterbenden Wald in der Nähe, und andere wie ich haben noch nie jemals ein Atomkraftwerk oder einen Castor aus der Nähe gesehen. Folglich war es notwendig auf dem Weg zur Volkspartei noch ein paar andere Themen mit einzusammeln, die sich direkter mit dem Leben der Bürger beschäftigen. Dass ein Grüner harmoniesüchtiger Pazifist sich dann nicht bei den rumpelnden Themen einer NPD, DVU oder FAP bediente war klar; es mussten Themen gefunden werden, die der eigenen Weltanschauung näher sind. Da waren die Kernthemen der SPD ein gefundenes Fressen. Innerhalb eines Jahrzehnts reiften einige der jungen Wilden in dieser immernoch recht neuen Partei vom strickenden oder turnschuhtragenden Umweltquerulanten zu breit aufgestellten Politikern heran. Spätestens als es zur Regierung unter Schröder kam, war klar diese Partei braucht in der Tat ein echtes Parteiprogramm, das alle Themen abdeckt die auch andere Parteien bedienen – ob sinnvoll ausgestaltet oder nicht. Nach der Abwahl von Rot-Grün haben die Grünen vollends die sozialen Themen der SPD gekapert.

Ein paar Jahre vorher passierte an einer anderen Baustelle auch etwas wegweisendes in der SPD: man trennte sich von Oskar Lafontaine. Ohne jetzt darauf genauer eingehen zu wollen, wie dies damals zustande kam, liegt hier der Fokus darauf, dass Lafontaine eher dem linken Flügel angehört hatte. Das führte dazu, dass dieser mit seiner neu gegründeten WASG sich nach kurzer Zeit mit der PDS, der ehemaligen SED, zur Partei Die Linke zusammenschloss. Diese kaperten nun auch sozialdemokratische Themen um diesen mehr linken Drall zu geben. Die SPD verlor an dieser Flanke also auch Kernthemen an eine andere Partei. So wurde die SPD von diesen beiden anderen Parteien des linken Spektrums stetig ausgehöhlt, bis den eigentlichen SPD-Themen die Originalität ausging. In den letzten Jahren wurde sie links regelrecht zerrieben weil auch die CDU unter Merkel weit nach links rutschte. Gefühlt, hatte man in der SPD lediglich vergessen den Auflösungsvertrag zu unterschreiben.

 

Jetzt rolle ich das andere Ende unserer Geschichte auf: Die Bürger und ihre Wahrnehmung. Der stete Tropfen höhlt den Stein sagt man so schön, und genau diese Beharrlichkeit kann man den Grünen zweifelsfrei attestieren. Über Jahrzehnte haben sie uns einen Atomunfall vorhergesagt und sowohl 1986, als auch 2011, bekamen die Grünen jeweils Recht und konnten so ihre Relevanz untermauern. Fortan waren diese Themen auch aus dem Bewusstsein nicht mehr wegzudenken. Selbst Bürgern aus anderen Lagern ist es, nach rationalen Gesichtspunkten, nicht mehr möglich den Klimawandel und die zunehmende Zerstörung der Umwelt zu leugnen. Da macht es auch keinen Unterschied ob man bei den Grünen, der CDU und der AfD zur Wählerschicht gehört. Dieses Bewusstsein lässt in der Öffentlichtkeit die Gesellschaft schon irgendwie komplett "begrünt"aussehen. Wir alle trennen Müll, schwadronieren über Tierwohl und Massentierhaltung, lehnen Tierversuche ab und man fährt, wo es geht, mit dem Rad. Trotz dieser Verschiebung des Bewusstseins in Richtung der Grünen hat das bei den Bundestagswahlen nie in gleichem Maße auf deren Wahlergebnisse eingezahlt. Gewählt haben die Deutschen trotzdem weiterhin ihre bisherigen Parteien.

Nach der letzten Bundestagswahl hat sich die Klimabewegung nochmal gesammelt und weiterhin an ihrer Erzählung gearbeitet. Mit der Hilfe wissenschaftlicher Unterstützung wurde die Geschichte einfach spannender und zeitgemäßer erzählt, und die Maßnahmen der Aktivisten wurden auch nochmal um einiges drastischer. Um dem ganzen Treiben keinen linksradikalen Anstrich wie aus der Autonomenszene zu geben, passte dieses zärtliche Gesicht von Greta Thunberg perfekt in die Storyline, denn kleine Kinder mit Pappschildern in der Hand wirken eher messiashaft als anarchistisch. Somit hatte die aktivistische Fraktion der Klimabewegung eine perfekte medienfreundliche Ikone hinter der man sich bequem verstecken konnte. Medial aufgebauscht erreichte diese Marketingmaschine das Land bis in die hintersten Winkel und bei jedem war dieser verzückte Gesichtsausdruck zu sehen, wenn von Greta die Rede war. Somit war "grün" in der Mitte der Gesellschaft angekommen und Klimaschutz plötzlich "cool".

 

Und jetzt wird es für den Bürger mit dem neuen grünen Mindset plötzlich problematisch, denn jetzt kommt die Bundestagswahl! Jetzt ist das eigene neuerlangte grüne Bewusstsein von einem selbst, zur maximalen Selbstdarstellung, so sehr nach aussen getragen worden, dass man theoretisch, um konsequent zu bleiben, Grün wählen müsste. So fühlte sich das gesamte Land seit mindestens einem Jahr an. Selbst während Corona machten viele dafür unser ökologisches Lotterleben verantwortlich. Es gäbe für alle diese Scheinheiligen also rational keinen Grund mehr NICHT Grün zu wählen. Das wissen sie auch. Aber hier fängt das Problem an. Klimabewusst zu leben ist eben nur ein Aspekt in unserem Leben und ganz viele Aspekte brauchen auch gesteigerte Aufmerksamkeint einer verantwortungsvollen Regierung. Und da geht den Menschen jetzt doch die Düse, weil ihnen klar wird, die Grünen tragen das Herz zwar am Rechten Fleck, aber unser Land zu führen trauen sie ihnen offensichtlich doch nicht zu. Warum sonst sollten diese, trotz dem Hype um den Umweltschutz, in Umfragen, bei 15% rumdümpeln?

 

Aber was hat das mit der SPD zun?

Ganz einfach, die SPD war jetzt zwei Legislaturen in der Großen Koalition in Regierungsverantwortung. Das hat bloss gefühlt keiner so verinnerlicht, weil die SPD stets bei allen Entscheidungen die sie in der Regierung mitgetragen hatte, es immer wieder geschafft, sich von diesen direkt ethisch zu distanzieren und die moralische Verantwortung bei der CDU abzuladen. Ein feiger Schachzug, aber wirksam. Denn zum aktuellen Zeitpunkt bringen wir mit der "verkorksten Regierung" nur die CDU in Verbindung, obwohl die SPD das genauso mit verkorkst hatte. Also steht den Menschen der Sinn nach Veränderung. Wenn die Wähler also davor Schiss haben den Grünen das Ruder in die Hand zu geben, dann suchen sie eine Partei "die den Klimawandel zwar stoppen kann", bei der es aber einfach nicht so weh tut wie bei den Grünen. Man sucht krampfhaft nach den "Grünen Light". Und genau diese märchenhafte Erzählung liefert aktuell Olaf Scholz mit seiner, Zitat Söder, "schlumpfigen Art". Der Bürger glaubt in der aktuellen SPD genau diese Quadratur des Kreises gefunden zu haben. "Wir haben Angst, Papa Schlumpf". "Habt keine Angst meine kleinen Schlümpfe, wir gehen Heim nach Schlumpfhausen".

Das liegt aber nicht an der überzeugenden Position der SPD. Nein. Es liegt eher daran, dass die schleichende Inkompetenz der SPD viel leichter zu Ignorieren ist als bei den Grünen das Tempolimit, Fleischbashing und das Gendern, oder wie das rassistische Gebahren der AfD und das naiv sozialistische Schwadronieren der Linken. Damit könnten viele wohl schwer leben.

 

Der Bürger macht es sich hier einfach leicht und denkt er kann sich mit dem Wählen der SPD weiterhin, mit einem möchtegern-Grünen Image, von jeglicher moralischer Verantwortung freikaufen. Dann glaubt er man könne in einer blitzsauberen Umwelt genau das gleiche Schweineleben führen wie vorher. Der Zahn wird dem Wähler aber spätestens gezogen, wenn Esken und Kühnert ihren Kanzler der Brücke verweisen um selbst den Kahn auf Kurs zu setzen und wir einen linken Kurs bekommen, denn die Linke nicht linker könnte.

 

Um es nochmal kurz und knapp zu formulieren: der aktuelle Höhenflug der SPD hat absolut nichts mit der SPD zu tun, sondern kommt daher, dass die Wähler einen Ausweg suchen, nicht konsequenter Weise Grün wählen zu müssen. Denn sie haben Angst sich die von ihnen geforderte saubere Welt, unter einer grün geführten Regierung, unter Anstrengungen oder Entbehrungen, verdienen zu müssen. Sie wollen sie lieber von der SPD geschenkt bekommen. Wer sich sicher ist, dass die SPD dies leisten kann, der soll sich fragen warum er dieser Partei dies noch vor 6 Monaten nicht zugetraut hätte und sollte tief in sich gehen und sich Fragen, ob er nun wirklich Grün denkt oder nicht. Denn dann wäre es nämlich vieleicht sogar konsequenter sein Kreuz bei den Grünen zu setzen. Somit ist die allerwichtigste Frage warum er sich dazu nicht durchringen kann? Dann wird klar, dass tatsächlich nur noch Armin Laschet übrig ist...

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