Das Ende der Ära der Wahlsieger.

Eine Frage will aktuell keiner beantworten: "Wer hat den eindeutigen Regierungsauftrag?". Nach reiflicher Überlegung wird mir klar warum diese Frage keiner, ausser der SPD, beantworten will; es gibt die Antwort darauf nämlich nicht mehr.

 

Analog zu dieser Frage wird auch immer wieder gefragt wer der klare Wahlsieger ist. Dazu sollte man mal bitte kurz in die Vergangenheit zurückreisen und sich die Zeit ansehen in der diese Frage noch legitim war. Vor 40 Jahren, als Volkparteien noch Ergebnisse eingefahren haben, die eine Regierung ohne sie schlicht unmöglich gemacht haben, konnte man tatsächlich von einem Wahlsieger sprechen. Wenn z. B. eine CDU als stärkste Kraft 40% eingefahren hatte, dann war es für die restlichen Parteien nicht möglich durch eine Koalition der anderen Parteien eine Mehrheit ohne die CDU zu erreichen. So etwas nenne ich einen klaren Sieg. Daraus ließ sich auch automatisch ein klarer Regierungsauftrag ablesen.

 

Zurück in der Gegenwart sehe ich, dass die SPD von 27% der Wähler gewählt wurde, 73% haben sie hingegen nicht gewählt. 25% haben die CDU gewählt, 75% haben sie nicht gewählt. Ich sehe 11% der Bürger gaben ihr Votum der FDP, 89% gaben ihr keine Stimme. Gleiches Spiel erkenne ich bei den Grünen wenn den 15% Wählerstimmen 85% Ablehnung gegenüberstehen. Ich sehe hier also weniger Parteien die der Bürger will, sondern eher Parteien die der Bürger nicht will!! Sie sind also allesamt keine Gewinner, sondern nur Parteien die nicht gewinnen konnten. Somit ermitteln wir wer am besten nicht-gewonnen hat, und wollen uns aus dem besten Verlierer einen Gewinner stricken. Da wird aber, egal wie wir es betrachten, kein Schuh daraus, denn dadurch, dass sich unsere politische Landschaft immer weiter aufsplittert, teilt sich das Bürgervotum auf immer mehr einzelne Parteien auf welche nach einer Wahl nach einer Mehrheit suchen (dürfen). Wem bringt es also irgendwas, wenn man nach der Wahl einen Wahlsieger kürt, dieser aber nicht einmal die automatische Legitimierung hat die Sondierungen zu führen. Man muss zwar neidlos anerkennen, dass die SPD das höchste aller Ergebnisse dieser Wahl eingefahren hat, aber dadurch wird die Ausgangslange für die SPD nicht weniger erbärmlich. Was sie dabei zu einem Sieger machen soll erkenne ich nicht, wenn die FDP und die Grünen aktuell die Sondierungen initiert haben und sich ihrer machtvollen Positionen offenkundig bewusst sind.

 

Jetzt kann man sich die Frage stellen woher das kommt. Was hier passiert ist, ist keine Naturkatastrophe, sondern die Politik hat sich aufgrund ihrer Eitelkeit ihr eigenes Grab geschaufelt. Wahlsieger gab es, als im Bundestag lediglich vier Parteien waren. Damals gab es CDU, SPD, FDP und die Grünen. Aber als es für einige Politiker in ihren Parteien nicht mehr genug Platz für ihr eigenes Ego gab, verspürten immer mehr frustrierte Seelen den Drang ihre eigene Partei zu gründen. Wie jeder weiss, ist die Linke ein Derviat aus Lafontaines WASG – also ehemals SPD – und die AfD war damals ein Zusammenschluss unzufriedener Unionsmitglieder. Zur Zeit deren Gründung war für den Bürger ein wirklicher Unterschied von WASG (heute Die Linke) zur SPD oder CDU zur AfD nicht wirklich erkennbar, weshalb diese Parteien noch wenig Relevanz bei den Wahlen hatten. Jahrzehnte später haben diese Parteien ihre eigenen Profile herausgearbeitet und sprechen auch diese Wählerschichten an. Dazu kamen noch die Piraten, ödp, Volt, die Partei, Freie Wähler und zahllose andere Ein-Thema-Parteien, die in einem Anflug von Selbstüberschätzung mit ihrem Sprung in den Bundestag eher Ballast als Bereicherung sind. Diese neuen Parteien haben den ehemaligen Volkparteien massiv Wählerstimmen abgenommen, was dafür sorgt, dass es keine eindeutigen Ergebnisse mehr geben kann. Man würde sich wünschen, dass die neuen Parteien nicht nur ihr Recht auf Gründung, sondern auch die damit verbundene Verantwortung im gleichen Maße wahrnehmen würden.

Aber bitte nicht falsch verstehen; ich zweifle nicht am demokratischen Prozess. Jeder soll wählen dürfen von wem er überzeugt ist und jeder soll auch nach wie vor eine Partei gründen dürfen. Aber nur weil es rechtmäßig ist, heisst es nicht, dass es unser Leben einfacher oder besser macht. Da dies in unserem Wahlrecht festgeschrieben ist, müssen wir mit der Situation umgehen. Das heisst aber auch, dass wir hier zwar nicht die Schraube zurückdrehen sollen, aber zukünftig eine andere Denkweise brauchen werden. In alten Strukturen zu denken und nach einem KLAREN Bürgervotum oder Wahlauftrag zu fragen ist dann leider nicht mehr zeitgemäß; schon gar nicht zielführend. Was im Zuge dieser Verschiebung dann auch wahrscheinlicher – und trotzdem legitim – ist, ist die Tatsache, dass nun Parteien die nicht das höchste Ergebnis eingefahren haben, es schaffen ein Regierungsbündnis mit einer Absoluten Mehrheit zu stellen. Würde man aktuell die SPD zu einem klaren Wahlsieger mit klarem Regierungsauftrag küren, würde ich mich fragen, was sich diese Partei von solchem Geschwätz kaufen kann, wenn es doch zu Jamaika käme und sie dann trotzdem in der Opposition landen? 

 

Auch diese Entwicklung ist eine klare Nebenwirkung der vielbeschworenenen Erneuerung des Landes und muss genauso angenommen werden wie die ganzen Vorteile die damit verbunden sein sollen. Da muss der Wähler mit seinem Wunsch nach Aufbruchsstimmung zukünftig nach Abgabe seiner Stimme akzeptieren, dass er nicht wissen kann was er die nächsten vier Jahre bekommen wird.

 

Willkommen im Deutschland nach der politischen Zeitenwende!

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