Let the Games begin...

Als die CDU vor Rot-Grün-Rot gewarnt hatte, wurde das als aufgewärmte "Rote-Socken-Kampagne" lächerlich gemacht. Als auf die Kluft zwischen Scholz und der Parteiführung der SPD hingewiesen wurde, gab es unzählige Bekundungen des Generalsekretärs, dass sich die SPD stets einig wäre. Als auf Differenzen in der Programmatik zwischen Scholz und Esken/Kühnert aufmerksam gemacht wurde, verwies man stets auf das Parteiprogramm der SPD, welches angeblich in völligem Einvernehmen beschlossen wurde. Jüngste Ereignisse geben mir aber das Gefühl, dass ich selten so offen belogen wurde wie in diesem Fall.

 

Bei all dem wurde immer wieder eine Person vorgeschickt, die dazu verdonnert war diese Mähr aufrecht zu erhalten: Lars Klingbeil. Eine offensichtlich überforderte Schachfigur in der Charade der SPD die sich am Ende unter all dem Druck sichtbar schwer tat, die Maxime des SPD-Wahlkampfes sachlich zu führen. Esken, Walter-Borjans und Kühnert hielten sich während der gesamten Zeit dabei auffällig bedeckt. Logisch: wird man nichts gefragt muss man auch keine unbequemen Antworten geben. Schlimmer noch, wäre man so stark unter Zugzwang geraten, dass man evtl. sogar die Unwahrheit hätte sagen müssen, hätte  das den vulnerablen Heilungsprozess kurz vor der Wahl eventuell noch ruiniert. Somit ist die Strategie, Olaf Scholz erstmal den Wahlkampf im Alleingang machen zu lassen, aufgegangen. Die einzige Frage die dabei unbeantwortet blieb war, was Klingbeil hierbei nach der Wahl für eine Rolle spielen wird. So sehr wie man ihn an die Front gejagt hatte, verhieß das für kritische Beobachter nichts Gutes. Lars Klingbeil wird zum Bauernopfer werden. Zu allererst: Lars Klingbeil ist ein loyaler Soldat in der SPD der alles gegeben hat um die SPD zum Erfolg zu führen. So jemanden kann sich jede Partei nur wünschen, aktuell ganz besonders die CDU. Das wird er aber vermutlich mit seiner politischen Karriere bezahlen müssen.

 

Man mag mir jetzt unterstellen, dass ich als CDU-Wähler mit dem Wahlergebnis unzufrieden wäre und ein natürliches Interesse daran hätte die SPD schlechtzureden. Das ist von meiner Seite nicht nötig, das erledigt die SPD selbst. Tatsächlich hatte ich mich mit der Ampel fast schon angefreundet, weil das Schreckgespenst R-G-R vom Tisch, und die FDP in einer realtiv starken Verhandlungsposition war. Wer also wirklich glaubt, ich würde die SPD nur schlechtreden wollen, der möge sich bitte im Gegenzug objektiv fragen wie Lars Klingbeil jetzt nach der Wahl noch ins Bild der SPD passen kann. Beleuchten wir doch jüngste Ereignisse.

 

Für Schlachtrösser wie Klingbeil gibt es nur zwei Optionen: entweder man würdigt sie in dem man sie befördert, oder man opfert sie. Selbstverständlich gäbe es die theoretische Option Klingbeil erneut zum Generalsekretär zu machen, doch leider ist bereits durchgesickert, dass Kevin Kühnert diesen Posten für sich reklamiert hat. Würde Klingbeil nicht erneut Generalsekretär, gäbe es noch die Möglichkeit ihn in der Karriereleiter weiter nach oben klettern zu lassen, z. B. in dem man ihn im künftigen Kabinett in ein Ministeramt bringt. Aber wäre das möglich ohne sich Probleme einzufangen?

Wie bereits erwähnt, wurde eine Koalition mit der Linken stets als "absurd" bezeichnet. Wie wenig absurd das aber ist, sieht man aktuell daran, dass Manuela Schwesig die Koalition im Mecklenburg-Vorpommern mit der CDU nicht weiterführen will, um eine neue Koalition mit der Linken zu schmieden. Das Skandalöse daran ist nicht, dass die CDU dort nicht mehr in der Regierung sein wird, sondern, dass Schwesig sich nicht einmal die Mühe macht diese Entscheidung zu erklären. Diese Richtungsänderung wird, trotz der produktiven Zusammenarbeit, mit einer Kaltschnäutzigkeit vollzogen, dass einem unmittelbar klar werden muss, warum der Bundes-Wahlkampf bei der SPD so geführt wurde, wie er geführt wurde. Man hatte scheinbar eben auch im Bund im Vorfeld schon eine klare Präferenz bezüglich des Koalitionspartners, und die wäre auch hier, entgegen aller Bekundungen, Rot gewesen. Diese Option hat der Wähler mit seinem Votum glücklicherweise disqualifiziert, weshalb sich die SPD in die Ampel gezwungen sieht um überhaupt regieren zu können. Im Land, wo dies noch eine Option ist, wird sie ohne mit der Wimper zu zucken wahrgenommen. Fragen diesbezüglich werden ignoriert, weil die zu gebenden Antworten, wenn ehrlich gegeben, unbequem wären und dem Wähler die wahre Uneinigkeit innerhalb der Partei plötzlich vor Augen geführt würde. Offiziell haben sich Schwesig und der Rest der SPD-Funktionionäre zu diesem Thema, ganz bewusst, nur spärlich geäußert um nach der Wahl nicht bei jedem Interview die eigene Kehrtwende eingestehen zu müssen. Wenn die SPD "neue" Fakten schafft ist der Einzige dem man dies tatsächlich vorwerfen könnte, Lars Klingbeil. Darum wird jetzt deutlich, dass wenn die SPD ihren Kurs auf diese Weise fortsetzt, er die einzige Person sein wird die ihre Glaubwürdigkeit verliert. Ob man ihn dann, ohne einen massiven Skandal zu provozieren, in ein Ministeramt heben kann, ist fraglich. Er wird nach meiner Auffassung nach Abschluss der Koalitionsverhandlungen nicht zu halten sein. Das Versenken des Nachrichtenüberbringers wird den meisten Wählern weniger auffallen, wenn dieser als "Rückzug aus persönlichen Gründen" erzählt wird, anstatt als politscher Richtungswechsel, bzw. Kurswechsel der Parteiführung, wenn die Parteispitze plötzlich etwas komplett anderes erzählen müsste als sie das zuvor getan hätte. Da sie das aber nie getan haben, können jetzt auf wundersame Weise Walter-Borjans, Esken und Kühnert aus ihrem Dornröschenschlaf erwachen und dann Fakten schaffen die so nur eine Person kommuniziert hat. Sollte die SPD sich trotzdem so überschätzen und an Klingbeil in einem höheren Amt festhalten, wird das hoffentlich so unangenehm für alle Beteiligten wie es dieser Charade angemessen wäre.

 

Aktuell bleibt nur zu hoffen, dass der Kurswechsel der SPD nur halb so radikal ausfallen wird/kann, wie es die kritischen Stimmen vor der Wahl prophezeit haben. Wobei selbst das schon schlimm genug wäre...

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