Die Schuldfrage.

Die Inzidenzen steigen, die Hospitalisierungsrate steigt, analog dazu auch die Nervosität von Politik und Wissenschaft. In den Bürgern steigen sowohl Angst als auch Irritation, und irgendwie stehen wir trotz Impfung wieder am gleichen Punkt. Es ist zum Verrücktwerden. Das liegt aber nicht an der Wirkungslosigkeit der Impfung, sondern an der Wirkungslosigkeit unserer Entscheider.

 

Was mich an dieser Stelle mehr besorgt als alles andere, ist was die Pandemie mit, und aus uns, macht. Sicherlich waren wir noch nie ein Land wie aus dem Bilderbuch das in jeder Hinsicht perfekt war. Aber es ist recht eindeutig, dass wir zunehmend gespaltener werden, und, dass dem Bürger eine Polarisierung aufgezwungen wird. Zwar wird in den Medien stets die Spaltung jemand anderem in die Schuhe geschoben; mal ist es die Querdenker-Bewegung, dann ist es die AfD, dann die Geimpften, dann wieder sind es bestimmte Interessenverbände oder aktivistische Bewegungen. Es mag durchaus sein, dass diese jeweils den Stoff dazu liefern, das Buch darüber schreibt aber die Politik.

 

Wenn es eines gibt was ich in meinem Leben gelernt habe, dann ist es die Tatsache, dass uns das Leben gewisse Entscheidungen abverlangt. In diesen richtungsweisenden Momenten in unserer Realität ist es "dem Leben" im Prinzip scheissegal ob wir als Menschen schon dazu bereit sind diese Entscheidungen zu treffen oder nicht. Wir stehen an einer Weggabelung und es gibt drei Richtungen: links, rechts oder zurück wo wir her kamen. Das woher wir kommen kennen wir, das scheint uns aber nicht gereicht zu haben sonst wären wir von dort nicht losgelaufen. Aber keiner kann vorher sagen an welcher der beiden neuen Weggabelungen es uns besser wird. Wir müssen hier schon den Mut haben es selbst herauszufinden. Für das Leben ist es nicht relevant wie wir uns entscheiden. Dem Leben ist es vermutlich auch ziemlich egal ob wir uns in unserer Unentschlosseneheit in die Mitte der Weggabelung setzten und vor lauter Überforderung weinen. Es hat auf die Welt bedeutend weniger Einfluss als auf uns selbst. Denn dieses In-Selbstmittleid-versinken sorgt eher bei uns selbst für Stillstand. Das Leben bietet uns in dem gerade erwähnten Gleichnis drei Wege an, aber es wird nicht für uns entscheiden was richtig ist. Gehen müssen wir den Weg schon selbst. Mit den Entscheidungen in der Corona-Pandemie verhält es sich genauso. Jede Veränderung in der Pandemie stellt uns vor neue Weggabelungen an denen wir uns entschieden müssen, wie wir weiter gehen. Leider ist unsere Politik hier viel zu zaghaft. Wir schleichen den Weg entlang und wenn wir an eine Abzweigung stoßen, dann haben wir Angst, dass eine der beiden Möglichkeiten schlechter wird, als das wo wir herkommen. Aber das kann ja nicht die Herangehensweise sein? Wir sind in der Pandemie losgelaufen weil wir so nicht weitermachen wollten, haben dann aber nicht den Mut uns für die uns gebotenen Möglichkeiten zu entscheiden. Was daraus resultiert ist Stillstand. Wer schon mal mit Kindern unterwegs war, der weiss, dass bei einem Tempo mit dem man das Ankommen zu lange herauszögert, es unweigerlich darauf hinausläuft, dass die Kinder quengeln und keinen Bock mehr haben. Genau das passiert uns aktuell zwischen Politik und Bürgern. Hätte die Politik von Anfang an einen Gang hochgeschaltet und das Tempo angezogen; hätte sie sich nicht bei jeder Gabelung viel zu lange und viel zu unentschlossen ihrer Trägheit hingegeben, wären wir vielleicht schon an so mancher Gabelung die uns jetzt noch bevor steht, längst vorbei. An jeder Gabelung jedes Mal die gesamte Gruppe zu befragen und auch auf jede Befindlichkeit Rücksicht zu nehmen, verbrennt Zeit und gibt den Menschen das Gefühl, dass man keine Ahnung hat in welche Richtung man geht.

 

In Bayern ist die Sache wieder anders. Hier könnte man Markus Söder zwar attestieren immer schnell und ohne Rücksicht auf Befindlichkeiten vorgegangen zu sein – was im Grundsatz ganz meiner Linie entspräche – aber hier treibt mich etwas anderes um: bei ihm habe ich das Gefühl er hat sich einmal für eine Seite bei den Gabelungen entschieden und macht dies nun bei jeder Gabelung immer gleich. Dabei finde ich es auffallend, dass wenn man sich an jeder Gabelung immer für links, oder immer für rechts entscheidet, man sich praktisch im Kreis dreht und wieder am Ursprung rauskommt. Denn, bei Abzweigungen stets die gleiche Richtng zu nehmen hat nichts mit einer abgewogenen Entscheidung zu tun, sondern ist lediglich das Folgen eines Musters. Im Prinzip ist dies, als würde man sich bei Multiple-Choice-Fragen immer für Antwort A entscheiden, ungeachtet dessen was dies inhaltlich bedeutet.

 

Das kommt sicher von der falschen Herangehensweise, es jedem Einzelnen Recht machen zu wollen, aber das wird niemand jemals schaffen. Wäre ich ein religiöser Mensch würde ich sagen das hat nicht mal Jesus geschafft. Er ist am Kreuz gelandet obwohl er es laut dem Christentum nur gut mit uns Menschen gemeint hat. Getötet wurde er laut der Geschichte auch weder von einer Krankheit, noch von einem Gott, sondern von uns Menschen. Das sollte ein Politiker unbedingt verinnerlicht haben, denn wenn er nach dem Grundsatz handelt es JEDEM Recht zu machen, dann hat er das perfekte Rezept für Versagen gefunden. Er muss sich einfach gleich zu Beginn damit anfreunden, dass es Leute geben wird, die seine Entscheidungen ablehnen und dagegen Stimmung machen. Er muss auch verstehen, dass es diesem nörgelnden Bürger auch freigestanden wäre in die Politik zu gehen um dort Entscheidungen für die Gesellschaft zu treffen. Wenn er das nicht getan hat, dann muss dieser Bürger damit leben, dass ein Anderer dies auf sich genommen hat und diese Entscheidungen für ihn trifft.

 

Einige würden an dieser Stelle die in der Verfassung festgeschriebene Freiheit bemühen. Denen sei gesagt, Freiheit kommt immer mit Verantwortung. Leider schmeckt die Freiheit nach süßem Nektar und die damit verbundene Verantwortung wie Essig. Somit ist klar, dass die Menschen gerne den Nektar trinken würden und den Essig links liegen lassen wollen. Aber nur weil dies vielleicht in der Natur des Menschen liegt, heisst das weder, dass es richtig ist, noch, dass es uns als Kollektiv voran bringt. Ich betrachte den Bürger hier wie Kinder und die Politik wie die Erziehungsberechtigten. Sie sollten es einfach besser wissen als die Kinder. Leider gibt es tatsächlich bei den Eltern oftmals eben auch Exemplare die zur Erziehung schlichtweg nicht geeignet sind, was man an deren Kindern deutlich sehen kann. 

 

Was heisst das für uns in Bezug auf Corona?

Die Politik und die Medien haben den Bürgern mehr Rechte und Entscheidungsfreiheit eingeräumt als sie vertragen können. Die Tatsache, dass man ihnen die Wahl gegeben hat sich zu impfen oder nicht, hat die Menschen gespalten. Hätte man bereits im Oktober 2020, als abzusehen war, dass die Impfstoffe im Dezember zugelassen werden, eine Impfpflicht auf den Weg gebracht, hätte uns die Frage "Wie bekommen wir die Unentschlossenen überzeugt?" nicht monatelang gelähmt. Die Menschen hätten sich diese Frage vermutlich nie gestellt und hätten sich dem gefügt. Das klingt jetzt nach der Spielart eines gut geölten Regimes. Aber so wie wir es aktuell haben ist unser unterdrückerisches Regime das Virus! Nur weil die Politik nicht den Mumm hatte einmal zu Beginn die unbequeme Entscheidung zu treffen, dass sich alle impfen lassen müssen, stehen wir aktuell vor solchen desaströsen Zahlen. Wir hätten auch diese ständig wechselnde Berichterstattung zur Faktenlage nicht mehr. Dass dies keine blanke Theorie ist, belegen die Zahlen aus Dänemark, Spanien und Portugal. Diese Länder haben eine wesentlich höhere Impfquote als wir in Deutschland und stehen in Bezug auf die Inzidenzen wesentlich besser da als wir. Ja sicher, sie haben es ohne Impfpflicht hinbekommen, aber warum? Weil die Bürger dort viel mehr Vertrauen in ihre Regierung haben. Was man aus den Medien mitbekommen hat, gab es dort dieses unentschlossene Gezaudere der Politik nicht. Dort wurden Entscheidungen getroffen egal ob dem Bürger dies gepasst hatte oder nicht. Und am Ende haben die Bürger feststellen müssen, dass es unbequem aber richtig war.

 

Was auch falsch war, ist, dass man diesen "grünen" Zeitgeist in unsere Gesellschaft gelassen hat. Man sieht es aktuell an der Klimapolitik, dass dort stets so absolutistisch argumentiert wird, dass alle die nicht in den Klimakanon einstimmen zu Gegnern dieser Gesellschaft erklärt werden. Ich bin sicherlich nicht mit den Inhalten der Querdenker einverstanden, aber man hätte diese nicht zu Beginn leichtfertig zu "Verrückten" oder "Covidioten" erklären müssen/dürfen. Damit haben wir ihnen erstens das Recht abgesprochen skeptisch sein zu dürfen und andererseits haben wir sie damit selbst aus der Mitte der Gesellschaft gedrängt. Diese respektlose Art die wir im Umgang mit den Querdenkern zu Beginn hatten stand uns weder zu, noch hatte man damals bedacht in welche Richtung sich das dann entwicklen würde. Nüchtern betrachtet hat sich diese Bewegung nicht zufällig radikalisiert, sondern wurde durch unsere Überreaktion ihnen gegenüber erst befeuert. Der Dialog mit den Skeptikern hätte niemals so von oben herab stattfinden dürfen, dann wäre für sie auch die Tür einen Spalt offen geblieben. Ein "Zurückholen"  wäre nie notwendig gewesen, weil sie nie weg gewesen wären. Aber wir haben sie zu unseren Gegnern gemacht und Gegner überzeuge ich niemals so leicht wie meine Verbündeten!

 

Aber es ist nunmal so passiert wie es passiert ist. Das heisst aber weder, dass das nun so wie es ist ok ist, noch heisst es, dass wir ewig so weiterschustern dürfen. Lippenbekenntnisse, man müsse die Impfgegner weiter versuchen von einer Impfung zu überzeugen, sind wieder nur die zögerliche Art an der Weggabelung sich um die Entscheidung zu drücken und zuzusehen wie sich die Kinder um die Richtung streiten und dabei immer radikaler werden. Es wird an dieser Stelle aber Zeit den streitenden Tross einzubremsen und einen klaren Weg vorzugeben. Primär muss das Ziel sein, den Weg schnell zu beschreiten, damit die Kinder feststellen, dass sie schlussendlich doch froh sind, dass jemand vorne den Ton angegeben hat und uns aus der Misere geführt hatte. Ich weiss, dass jetzt viele sich an dem Wort "führen" stören, weil das wieder überzogene Assoziationen hervorruft, aber auch eine demokratische Regierung "führt". Nur mal so viel dazu. Aber es wird lieber wieder gezögert und abgewogen, relativiert und sich vorgetastet.

 

Man stelle sich das Verhalten unserer aktuellen Gesellschaft mal zu Zeiten Mose vor: da will das Volk Israel raus aus Ägypten und nicht ein Mann wie Moses führt sie raus und teilt für sie das Meer, sondern man macht erstmal eine Mitgliederbefragung. Dann wird ein völlig verunsicherter Moses als Diktator verunglimpft. Andere wiederum fragen sich ob es das Meer diskriminieren würde, wenn ein Mensch dieses teilen würde. Andere wiederum würden das Meer gänzlich anzweifeln ob es überhaupt wirklich ein Meer ist und andere glauben am Ende die Ägypter haben gar nicht existiert. Somit stünden die Juden heute noch an diesem Strand und das Meer hätte sich nie geteilt, oder die Ägypter hätten diese Streithähne in aller Seelenruhe wieder eingefangen.

 

Was will ich damit aussagen?

Diese ganze Scheindebatte über persönliche Freiheit bringt uns keinen Schritt weiter, solange durch die Pandemie Freiheit, wie wir sie kannten, für keinen von uns möglich ist. Dabei ist es eine einfache Matheaufgabe: der richtige Weg ist der, bei dem wir die wenigsten Freiheiten beschneiden müssen. Anstatt zu erkennen, dass wir die Impfgegner nicht in der kürze der Zeit überzeugen können ist die aktuelle Vorgehensweise so zaghaft, dass wir dabei alle Bürger gleichermaßen verprellen. Der Unmut ist somit bei allen so groß, dass die Regierung den Rückhalt von keiner der Bevölkerungsschichten hat, weil alle unzufrieden sind. Die Zögerlichkeit der Politik macht das Diskutieren zu einen nicht-enden-wollenden Prozess der uns geradewegs in eine Impfpflicht drängt. Obwohl man glaubt eine Impfpflicht spalte die Gesellschaft – was sie defacto nicht würde, weil dann wirklich alle Menschen gleich sind – bewirken die ersten jämmerlichen Ideen bzgl. einer Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen eben genau dies: sie spaltet die Gesellschaft in die Gruppe derer die gezwungen werden und die jenigen die davon befreit bleiben und weiter legal ungeimpft sein dürfen. Erste Ärzte befürchten dazu, dass sich in diesem Falle impfkritisches Pflegepersonal aus der Pflege zurückziehen könnten um der Impflicht zu entgehen, was die Krise auf den Intensivstationen nur noch zuspitzen würde. Würde eine Pflicht für alle eingeführt werden, würde das nicht passieren, weil dieser Pfleger dann auch geimpft sein müsste, wenn er zu McDonalds wechseln oder künftig als Obstverkäufer arbeiten würde.

Stattdessen Konzepte wie 2G einzuführen spaltet die Gesellschaft auch deutlich und drängt die Ungeimpften noch weiter aus der Gesellschaft, was ein Zurückholen in weite Ferne rückt. Konzepte wie 2G+ einzuführen während man für Boosterimpfungen wirbt ist der Gipfel des Absurden: Bei einem Großteil der Menschen die sich impfen ließen, war der primäre Grund sicher die Widererlangung der Grundrechte. Diese jetzt, trotz der Impfung, wieder zu verlieren, führt deren wichtigstes Argument für die Impfung ad Absurdum! Das wäre wie wenn eine Familie zwei Kinder hat und die Eltern den beiden bestimmte Pflichten zuteilen würden. Das eine Kind soll abspülen und das andere staubsaugen. Das eine Kind spült ohne Murren ab und das andere Kind weigert sich partout staubzusaugen. Und weil die Eltern das widerspenstige Kind nicht dazu bekommen zu saugen, wälzen sie diese Verpflichtung auch auf das brave Kind ab und es kann nach dem Abspülen auch gleich noch Staubsaugen. Sprechen wir da von einer salomonischen Lösung, ich denke nicht. Somit werden wir nicht nur keine Impfgegner überzeugen, sondern werden es nicht einmal schaffen alle die zweifach geimpft sind zu einer Boosterimpfung bewegen zu können.

 

Wir müssen uns wirklich genau ansehen müssen was unterm Strich, pandemisch gesehen, besser ist:

Entweder: Wir schaffen es alle doppelt geimpften Mneschen zu boostern, und haben dann trotzdem so viele Skeptiker und Ungeimpfte wie vorher die weiterhin vunerabel sind. Da aktuell 90% der schwerkranken Coronapatienten auf der Intensivstation liegen, dürfte sich da nicht viel ändern. Zumal hier wieder die Impfwilligen die Verantwortung für die Verweigerer übernehmen müssen...

 

...oder wir boostern die zweifach geimpften erstmal nicht und zwingen die Ungeimpften sich erstmal doppelt impfen zu lassen und haben dadurch eine nahezu durchgeimpfte Gesellschaft die dann zu einem großen Teil vor schweren Verläufen sicher ist. Diese könnte dann zu einem späteren Zeitpunkt geregelt in eine Boosterimpfung geführt werden kann.

 

Wie dem auch sei: Rumgeeiere bringt uns nicht weiter. Einen bequemen Weg werden wir nie erlangen. Es wird unbequem, die Frage ist nur welcher unbequeme Weg uns wie schnell und wie zuverlässig aus der Krise führt bevor wir als Gesellschaft keinen Weg mehr zueinander zurückfinden können. Oder will ernsthaft jemand nach der Pandemie, dass die jetzigen Impfgegner für immer aus der Gesellschaft verbannt bleiben?

 

Impfpflicht für alle. Jetzt!

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