Deutschland, was stimmt nicht mit Dir?

Ich habe in letzter Zeit die Geschehnisse in Deutschland relativ stumm verfolgt, in der Hoffung die Lage würde sich stetig normalisieren und irgendwie beruhigen. Ich habe als Impfbefürworter mal eine Zeit lang versucht die Situation nicht zu befeuern. Aber was ich feststellen musste, ist mehr als eindeutig.

 

Nicht nur hier in meinem Blog, sondern auch in privaten Gesprächen habe ich mich zum Thema Impfung oder Impfpflicht stark zurückgehalten um die Situation eher mal objektiv beobachten zu können. Schon seit geraumer Zeit vernehme ich Stimmen aus Reihen der Impfskeptiker die behaupten, die Geimpften würden hart gegen die Impfskeptiker vorgehen. Man wirft uns Aggression und fast schon faschistisches Vorgehen vor. Was ich aber zunehmend feststellen muss, ist dass die Radikalisierung und "faschistischen Tendenzen", die man uns ständig vorwirft, eigentlich eher aus der Richtung der Skeptiker kommen. Es ist fast nicht mehr möglich dem Thema Impfung aus dem Weg zu gehen, oder Gespräche zu vermeiden, die dann am Ende im Streit enden. Ständig fühlen sich die Skeptiker angegriffen oder "unterjocht". Sie denken die Gesellschaft wolle ihnen etwas Schlechtes und sie in die Enge treiben. Ich sehe aber in meinem Umfeld quasi keine Geimpften die sich den Skeptikern gegenüber radikal äußern oder versuchten mit aller Gewalt auf diese einzuwirken. Was ich aber sehe, ist, wie die Skeptiker argumentieren: Sie unterstellen Geimpften generell uninformiert, staatshörig oder agressiv zu sein. Deren Argumentation klingt stets als würde sich Deutschland geradewegs in ein Regime verwandeln und wir dummen Schafe würden dies, ohne es je zu hinterfragen, zulassen. Kaum ein Gespräch das ich mit einem Skeptiker geführt habe, in dem nicht mit Pauschalurteilen den Geimpften unterstellt wurde, den Lügen eines agressiven Systems aufgesessen und so dumm zu sein, dass man nicht in der Lage wäre – so wie er – die Realität zu erkennen. Unter diesen Umständen ist es mir schlicht nicht mehr möglich mit Skeptikern solch ein ein Gespräch zu führen. Manchmal versuche ich es nicht zu einer Eskalation kommen zu lassen – dann müsste ich mich aber mit meiner Meinung ganz zurückhalten und ihn quasi argumentieren lassen ohne dies zu kommentieren – aber dann stelle ich fest, dass sich die Skeptiker selbst in Rage reden, ganz so, als müssten sie nicht mich, sondern eher sich selbst überzeugen. Dazu bedient sich so mancher auch bewusst falscher Zahlen oder Fakten, die meist sehr schnell widerlegbar sind. Manchmal argumentiere ich aber auch dagegen und das Gespräch driftet schnell vom Thema ab und wird, wenn den Skeptikern die Argumente ausgehen, schnell persönlich. Dann sind nach kurzer Zeit die Fronten so verhärtet, dass man merkt, dass auch ein normales Gespräch nicht mehr möglich ist, weil man dann nicht mehr der Freund ist mit dem man zu einem bestimmten Sachthema eine unterschiedliche Meinung hat, sondern man wird zu dem Typen aus dem anderen (feindlichen) Lager.

 

Dass die Riege der Impfskeptiker sich radikalisiert hat ist ohne Zweifel sichtbar. Was ich auch schon bemerkt habe ist, dass dafür auch der geimpfte Teil der Bevölkerung mitverantwortlich ist – besonders der Teil in den Medien und der Politik, der sich als moralisch erhabender empfindet und von Anfang an auf die Impfgegner hinabgeredet hat. Auch dieses Verhalten war nicht gerechtfertigt. Zu keiner Zeit war es "richtig" oder legitim, von Menschen, welche lediglich Angst und Zweifel hatten, als "Covidioten" zu sprechen, wie es damals Saskia Esken in ihrer immer wieder entgleisenden Art tat. Just dieser Tage hatte sie diese Menschen wieder per Tweet verspottet. Ich verstehe durchaus ihren Unmut und ich teile auch ihr Unverständnis diesen Menschen gegenüber, aber das gibt uns nicht das Recht über sie zu urteilen und abschätzig zu sprechen. Ihr Kollege Walter-Borjans äußerte sich zu der Sache wesentlich seriöser, und trotzdem sehr deutlich.

 

Aber, bei aller Anerkennung der Ursachen oder der eigenen Schuld, hat mein Verständnis ganz klare Grenzen. Ich bin immerhin auch keine ordnungshörige Drohne die stumm jede Maßnahme mitträgt ohne je zu murren. Und auch ich bin nicht mit jeder Maßnahme einverstanden. Aber, Demonstranten haben vor den Privat-Wohnsitzen von Politikern gefälligst nicht zu protestieren. Das können sie in Form einer angemeldeten Demonstration vor einem Ministerium oder einer Staatskanzlei machen, aber das Privatleben der Politiker ist hier TABU! Auch Politiker haben Familie und Kinder die mit deren politischer Arbeit nichts zu tun haben. Sich dann dort zusammenzurotten um die Familie zu ängstigen ist in der Tat geschmacklos und befremdlich. Diese Art des Einschüchterns hat schon erste Züge von Selbstjustiz. DAS sind tatsächlich Methoden von Regimen und einem wilden ungezügelten Pöbel. Wer also nicht als "Rechter Mob" bezeichnet werden will, der sollte sich auch nicht so benehmen. Wer sich fragt wo sowas enden kann, der erinnere sich bitte an den Mord an Walter Lübcke.

 

Erstaunlich ist, dass dieses Vorgehen dem Anliegen der Demonstranten auch enorm schadet, weil es sie schlagartig unseriös und verschwörerisch anmuten lässt. Das scheint man aber in diesen Kreisen nicht verstehen zu können. Da spielt es auch keine Rolle welchen Background diese Menschen haben. Dass ihr Verhalten stark dem von anderen Radikalen, z.B. Salafisten, Neonazis oder dem Ku-Klux-Klan ähnelt will ihnen wohl selbst nicht auffallen. Aber ich frage diese Menschen, wie schlecht ihre Argumente sein müssen, wenn sie diese mit Angst und Psychoterror anreichern müssen um das Gefühl zu bekommen wirksam zu sein?

 

Auch in moderateren Kreisen wird teilweise mit stark verzerrten Fakten argumentiert. Bei der Argumentation die Impfpflicht beschneide die Persönlichkeitsrechte der Menschen, wird geflissentlich unter den Teppich gekehrt, dass die Impfpflicht nichts fundamental Anderes ist, als das was tausendfach zu anderen Themen und Lebensbereichen in unserer Verfassung steht. Wir haben überall klare Grenzen unserer Freiheit und kommen damit seit Anbeginn der BRD gut klar. Beim Thema Impfung jedoch machen wir die BRD plötzlich zum Regime? Das Argument der "körperlichen Unversehrtheit" greift bei der Impfung genauso wenig wie beim Fahren unter Alkoholeinfluss wo man zur Blutprobe gezwungen wird wenn man sich weigert den Blutalkoholwert bestimmen zu lassen. Da hatte die Gesellschaft auch nie ein Problem damit, lediglich der Ertappte. Aussagen wie "Nicht mal die Chinesen haben eine Impfpflicht eingeführt" kann ich nur belächeln. Die Chinesen sind in der Pandemie auch ohne Impfpflicht BRUTAL gegen das eigene Volk vorgegangen. Menschen wurden in den eigenen 4 Wänden eingesperrt. Dort gab es keine Ausnahmen wie z. B. zum Gassigehen, Spazieren, um zu arbeiten oder für einen Spaziergang. Das war dort alles nicht möglich. Leute die man draussen erwischt hatte, wurden rabiat an Bäume gebunden. Dort ist seit jeher die eigene Freiheit 24h am Tag voll beschnitten. Dort braucht es natürlich keine Impfpflicht, denn wenn dort das Regime sagt "Geht impfen!", dann tun die Bürger dies, weil sie permanent in Angst leben. Das sind Fakten die unsere Impfgegner gerne ausblenden. Frage: Was würde wohl mit ihnen passieren, wenn sie in China eine nächtliche Demonstration mit Fackeln vor das Haus eines Regierungsbeamten wagen würden? Ich denke dort hätte das wesentlich härtere Konsequenzen als nur öffentliche Empörung. Die Teilnehmer dieser Demo wären sicher, genauso wie die Tennisspielerin Peng Shuai, für lange Zeit von der Bildfläche verschwunden. Soviel zum Thema Deutschland ist schlimmer als China. Lächerlich.

 

Deswegen sollte man sich als in Deutschland Lebender stets klarmachen, dass wir kaum mehr Freiheiten haben könnten. Nichts desto trotz muss auch diese Freiheit eine klare Grenze kennen, und die ist genau da, wo die gesetzlich zugesicherte Freiheit der Anderen beginnt. Die Rechte und Freiheiten der Impfskeptiker wiegen keinesfalls schwerer als die der Geimpften. Um festzustellen wie diese rechtliche Balance auszusehen hat, haben wir Rechtsgelehrte die dies anhand unserer Gesetzestexte ableiten können. Dass man diese Beurteilung selbst nicht nachvollziehen kann bedeutet nicht, dass sie falsch ist, sondern eher, dass man selbst im Sachen Gesetze und Recht nicht beflissen genug ist. Aber für viele Mitbürger liegt der Fehler ja bekanntlich immer bei den anderen, nie bei ihnen selbst.

 

Ich hoffe unser Staat nimmt endlich seine Verantwortung wahr und zeigt, dass seine Institutionen respektiert werden müssen. Freiheit bedeutet nicht (und hat auch noch nie bedeutet), dass ein Bürger tun und lassen kann was er selbst für richtig hält. Es wird Zeit dies der Gruppe Mitbürger beizubringen, die aktuell glauben, alles was ihnen nicht passt, verstieße gegen geltendes Recht. Wenn sie für rationale Argumente und Diskussionen nicht zugänglich sind, dann geht dies leider nur über Zwänge und empfindliche Strafen.  Damit kann ich leben.

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