"Richterlein"? Gehts noch?

Unlängst hat der Welt-Ärztepräsident das Urteil aus Niedersachsen kritisiert in welchem die 2G Regeln für den Einzelhandel der Regierung, für Niedersachsen gekippt wurden. Er bezeichnete die Richter dieses Urteils als "kleine Richterlein". Das klingt für so manchen nur nach einer wütenden Aussage. Ich halte dies für einen weitreichenden Skandal der offenlegt wo die Probleme in unserer Gesellschaft wirklich liegen.

 

Aktuell liegt der Fokus der Öffentlichkeit auf der Querdenkerbewegung und deren Auswüchsen im Kampf gegen die Corona-Regeln. Der Ton wird extrem rauh und der Protest radikalisiert sich immer mehr, obwohl man in diesem Lager die ungenehmigten Demonstrationen verharmlosend als "Spaziergänge" bezeichnet. Dort hält man sich offensichtlich für besonders gewitzt. Alle wundern sich woher diese plötzliche Radikaliserung kommt und wie diese Bewegung ihr Verhalten legitimiert. Ich persönlich habe mich das auch gefragt. Was dabei in dem Medien aber übersehen wird ist, dass es Fehlverhalten auch auf der Seite der "Rechtschaffenen" gibt. Nur wird dies dort nicht mit dem gleichen Maßstab gemessen. Das Vorgehen ist auf der anderen Seite nämlich genau das Selbe. Was genau machen denn die Querdenker, gehen wir es doch mal durch:

 

1. Sie haben ihre eigene Realität und sind überzeugt, dass diese die einzig Richtige ist.

 

2. Sie versuchen die Gegenseite zu überzeugen, dass sie wichtige Fakten übersieht und nur sie selbst den vollen Durchblick haben

 

3. Wenn Institutionen ihnen dann widersprechen, werden sie selbst zunehmend ungehalten und der Tonfall wird unfreundlicher und teilweise sogar beleidigend. Man spricht Gerichten, Gremien und Medien Kompetenzen ab, und verunglimpft sie.

 

4. dadurch polarisieren sie umso mehr und verabschieden sich aus dem Dialog, weil sie sich mehr und mehr als verbohrt und nicht streitbar entlarven.

 

Jetzt sehen wir uns doch die Aussagen von Frank-Ulrich Montgomery an. Er ist ein Verfechter strenger Corona-Regeln und seiner Ansicht nach müssten diese zum aktuellen Stand noch verschärft werden. Er zitiert immer wieder die Wissenschaft, um zu betonen wie wichtig die 2G Regelungen aus medizinischer und wissenschaftlicher Sicht sind. Dabei agiert er aber genauso verbohrt wie die Querdenker, weil er dabei in seiner medizinischen Realität soziologische und rechtliche Aspekte völlig ignoriert. Das macht ihn genauso engstirnig, und von seiner eingen Sichtweise überzeugt, genau wie die Querdenker. Um die Gegenseite davon zu überzeugen, spricht er auch gerne mal von "Tyrannei" um seinem Punkt Nachdruck zu verleihen.

 

Jüngst widersprachen die Richter in Niedersachsen seiner Einschätzung und kippten die medizinisch-wissenschaftlich motivierten 2G-Regeln worauf er in einem Interview äußerte, dass es "kleinen Richterlein" nicht zustünde zu urteilen was medizinisch angemessen wäre und was nicht. Das heisst im Umkehrschluss, dass er die Urteile der Gerichte nur akzeptiert, wenn sie seiner Sichtweise entsprechen. Oder glauben wir etwa, wenn der Gerichtshof die 2G Regeln bestätigt hätte, dass Montgomery dann gesagt hätte "Die Richterlein haben richtig entschieden"? Nein, "Richterlein" sollte bewusst abschätzig klingen weil er deren Urteil entwerten wollte. Was er in seiner Arroganz leider übersieht ist, dass diese Regeln nicht nur medizinische Auswirkungen haben, sondern auch Folgen für die Menschen die auch sozialer Natur sind. Er ignoriert dabei zudem, dass Richter nicht einfach nur Menschen sind die gerne seltsame Roben tragen um sich wichtig zu machen. Es sind, genau wie er selbst, Menschen die ein Studium abgeschlossen haben. Aber, darüber hinaus sind sie nicht nur Rechtsgelehrte die ein Staatsexamen haben, sondern Leute, die sich als so kompetent erwiesen haben, dass sie extra in dieses Amt berufen wurden. Das sind höchst ehrenwerte Personen die, im Gegensatz zu Ärzten, noch hochrangige Staatsbeamte sind. Sie arbeiten an ordentlichen Gerichten – egal ob an Landes- oder Bundesgerichten. Alle diese Institutionen sind von Staat und Land voll legitimiert innerhalb ihrer Kompetenzen zu urteilen. Im Gegensatz zu Herrn Montgomery geben sie in ihren Roben keine banalen Interviews die lediglich deren persönliche Einschätzung widerspiegeln, sondern sie geben für uns in Urteilen wieder wie die Rechtslage anhand unserer geltenden Verfassung zu interpretieren ist. Diese dann als "Richterlein" lächerlich zu machen, nur weil ihm deren Einschätzung nicht in den Kram passt, ist nichts Anders als das was die Querdenker machen, wenn sie sich verächtlich über die Gesundheitsminister oder Wisschaftler äußern und ihnen lächerliche Namen geben. Der Unterschied ist lediglich, dass Herr Montgomery sich selbst nicht als Pöbel, sondern als die Speerspitze im Kampf gegen die Pandemie versteht, obwohl diese Aussage tatsächlich nichts anderes als emotional motiviertes Gepöbel ist! So wird er das nicht sehen, aber objektiv betrachtet ist es genau so! Oder bezeichnet er niedergelassene Ärzte, die nicht zufällig auch Welt-Ärztepräsident sind, verächtlich als "Ärztelein"? Wäre dies der Fall, müsst ich an seiner generellen charakterlichen Eignung für ein höheres Amt zweifeln.

 

Und so sehen wir, dass Menschen in solchen Ämtern, wie der Welt-Ärztepräsidentschaft, auch nur ihre eigene Sichtweise erkennen wollen und aus dieser bornierten Position heraus ein schlechtes Vorbild abgeben. Mir ist klar, dass Herr Montgomery eine gewisse Dringlichkeit im Kapmpf gegen Corona sieht, und, dass ihm aus seiner medizinischen Sicht heraus zu viel Zeit verstreicht bzw. zu lasch entschieden wird. Aber nicht alles was medizinisch richtig und hochwirksam ist, muss automatisch auch mit dem Gesetz vereinbar sein. Ob dies so ist muss von Rechtsgelehrten festgestellt werden. Er muss also diesen Akademikern die Staffel übergeben und ihnen das gleiche Maß an Vertrauen entgegenbringen, wie er es für sich einfordert.

Solche Wutausbrüchen, wie der von Herrn Montgomery Staatsorgane so abschätzig zu bezeichnen, sind für die Querdenker die Legitimation es ihm gleichzutun und zu beleidigen wer nicht deren Ideologie oder Narrativ entspricht. In einer Gesellschaft die sich als demokratisch, plural und offen bezeichnet, kann man sich seine eigene Meinung zwar frei bilden, aber es macht Menschen unseriös wenn alle die gegen die eigene Meinung sind als unseriös, unsozial, undemokratisch oder unmenschlich bezeichnet werden. Das ist nicht demokratisch, nicht plural und auch nicht weltoffen.

 

Deshalb muss auch ein ein Frank-Ulrich Montgomery von den staatlichen Organen zur Ordnung gerufen werden. Auch ihm muss klar gemacht werden, dass in seinem Amt als Welt-Ärztepräsident seine Vorbildfunktionen nicht nur auf das Medizinische beschränkt ist, sondern auch sein soziales Verhalten in der Öffentlichkeit Akzente setzt – positiv wie negativ! Ich komme also nicht umhin Personen wie ihm eine Mitschuld an der Entwicklung zu geben, die wir aktuell als "Spaltung der Gesellschaft" bezeichnen. Die Spaltung aufzuheben, bedeutet eben NICHT, dass wir jetzt plötzlich alle so denken wie Herr Montgomery, nur um ihn glücklich zu machen. Die Spaltung aufzuheben bedeutet andere Meinungen zuzulassen, und andere Expertisen anzuerkennen bzw. zu akzeptieren. So wie er nicht als "Welt-Ärztepräsidentschaftskasper" tituliert werden möchte, so hat er sich in Bezug auf die Richter verbal stark zurückzunehmen.

 

Es wäre wirklich Zeit für einen neuen Hashtag: #einfachmaldieklappehalten

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