Politische Führung in Zeitlupe

Jeder Selbstständige weiss was das Wichtigste ist, um wirtschaftlich zu überleben: schnelles Reagieren und Improvisieren. In meiner langen beruflichen Laufbahn habe ich gelernt, dass nichts so schädlich und destruktiv ist, wie Chancen zu verschlafen. Aber unsere Politik hat immernoch die Schlafmütze auf und taumelt mit Kerze und Pisspott in der Hand, gemächlich Richtung Bett. So wird das mit der Ukraine nix mehr.

 

Wer sich mal einen kurzen Moment Zeit nimmt und einige der Schlagzeilen auch nur für wenige Minuten durchdenkt, dem wird klar, dass das was von Politkern und Diplomaten gesprochen, und von Journalisten kolportiert wird, total realitätsfremd ist. Gleich zu Kriegsbeginn kam von der Ukraine die Forderung nach Waffensystemen in Form von Raktenabwehr, Panzern, Kampfflugzeugen und anderem schweren Gerät. Dabei setzen aber alle voraus, dass dies Geräte sind, die in der ukrainischen Armee direkt eingesetzt werden könnten. Dem ist mitnichten so. Wenn ich mir nämlich mal einen Panzer der Ukraine vorstelle, dann stelle ich mir im Inneren als Erstes mal die komplette Beschriftung in kyrilllisch vor. Das kann ich nicht lesen. Im Umkehrschluss wird unser Kriegsgerät aber sicher in deutsch beschriftet sein, was bedeutet, dass der Ukrainer dies auch nicht versteht. Wie also soll der ukrainische Panzerfahrer sofort mit dem Boliden losfahren können, wenn er nicht mal herausfinden kann, welcher Knopf den Panzer startet? Da dies nur die Spitze des Eisbergs ist und dabei noch viel tiefergehende technische Hürden im Raum stehen bedeutet das, die ukrainische Armee braucht dringend eine gewisse Einarbeitungszeit in das fremde Kriegsgerät. Dafür hat man mitten in der Schlacht weder die Zeit, noch das Personal. Denn dieses ist an der Front und kämpft mit dem was da ist.

 

Aktuell ziehen sich die russischen Truppen nach Belarus und in den Osten der Ukraine zurück; teilweise sogar zurück auf russischen Boden. Militärexperten aus der ganzen Welt interpretieren dies nicht als Rückzug oder gar Aufgeben der Russen, sondern erkennen darin eine Neuaufstellung der Truppen um erneut zuzuschlagen. Stellt man nun diese aktuelle Entspannung neben einen in Kürze drohenden weiteren Angriff auf den Osten der Ukraine, und hat im selben Atemzug auch noch die Einarbeitungszeit für die ukrainischen Soldaten beim fremden Kriegsgerät im Hinterkopf, dann kann man nur zu einem Schluss kommen: Wenn nicht jetzt wann dann die ukrainischen Soldaten in die militärischen Geräte aus dem Ausland einführen? Dazu wäre es aber notwendig gewesen, dass erforderliche Entscheidungen zu Waffenlieferungen zum aktuellen Zeitpunkt bereits lange getroffen sind und, dass die Waffen bereits in der Ukraine stehen. Würde nun das Training aktuell auch stattfinden wären die Soldaten vermutlich beim nächsten Angriff der russischen Truppen gut eingearbeitet. Hier wurde die NATO aber leider von der Ampel ausgebremst.

 

Der politische Schlafwagen in Berlin hat das offenbar noch nicht begriffen. Man könnte fast glauben, dass man in der Ampel den russischen Rückzug bewusst falsch deuten möchte. Es wirkt, als gäbe man sich dem Wunschtraum hin, dass die tapferen Ukrainer den Besatzer bereits erfolgreich in die Flucht geschlagen hätten; als bräuchte man dort unsere militärische Hilfe nicht mehr. Der Krieg wäre vorbei und die Ukraine ginge daraus aus Sieger hervor. Das entspricht aber nicht der Realität. Doch genau dieses Scholz-typische Zögern wird am Ende für die Ukraine zum Desaster. Aktuelle Forderungen in Richtung Berlin werden zwar an vielen Stellen mit einer überzogenen und auch unangebrachten Rhetorik geführt, aber im Kern steckt doch viel Wahrheit darin. Die deutsche Trägheit die Scholz in seiner Amtszeit versucht zu perfektionieren, ist zum jetzigen Zeitpunkt genau das Gegenteil dessen, was ein solcher Konflikt braucht. Die Verlegung der russischen Truppen, raus aus der Ukraine, würde den Transfer der Waffensysteme um einiges sicherer machen, als zu einem Zeitpunkt vor zwei Wochen, als Kiew noch komplett von den russischen Verbänden eingekesselt war.

 

Mir ist klar, dass wir unsere Waffenlager nicht komplett leeren können um die Ukraine mit allem was wir haben zu unterstützen. Damit stünden plötzlich wir selbst völlig schutzlos da. Aber die deutsche Rüstungsindustrie hatte bereits kurze Zeit nach Beginn des Konflikts darauf aufmerksam gemacht, dass sie in der Lage wäre sofort substantielle Waffenlieferungen an die Ukraine zu auszuliefern. Das wäre sogar auf zwei Wegen möglich gewesen: 1. Die Bundeswehr bekommt das was die Industrie fertig auf den Höfen stehen hat und diese liefert wiederum Bestandsgerät an die Ukraine, oder 2. die Ukraine kauft direkt bei der deutschen Industrie das nagelneue Gerät. Beides scheiterte an unserer Regierung. Diese Forderungen waren bereits vor Wochen auf dem Tisch und könnten längst beschlossen sein. Aber der "Ekel" unser Gutmenschen darüber, die Rüstungsindustrie würde an dem Krieg auch noch Geld verdienen, schien unserer Regierung schlimmer als die Massaker in Butscha. Dabei wären es eben diese Rüstungsgüter aus unserer Herstellung gewesen, die vielleicht geholfen hätten diese Kriegsverbrechen zu verhindern. Ich glaube nicht, dass die ukrainische Führung diese Waffenkäufe und die damit verbundenen Profite der deutschen Industrie auch als unmoralisch empfunden hätte. Im Gegenteil: gerade das absurde Verhalten Berlins ist hochgrading unethisch, denn die permanenten Solidaritätsbekundungen wirken durch die Blockade der militärischen Hilfen wie blanker Hohn.

 

Wer sich die Kanzlerschaft Scholz ansieht, der erkennt, dass dessen profilloses Handeln und sein ständiges Zögern alle wichtigen Entscheidungen zu spät kommen lässt. Auch wenn Scholz glaubt, dass die Zeit vieles richten wird, entspicht dies nicht den Tatsachen. Dadurch wurde nämlich nicht nur die Impfpflicht verschleppt, sondern man wird in ein paar Wochen auch zusehen wie die Ukrainer in die nächste Angriffswelle der Russen reinlaufen, ohne sich mit neuem Kriegsgerät ebenbürtig verteidigen zu können. Dann will wieder keiner Schuld an der Misere sein. Wer glaubt, wir dürften uns nicht an dem Krieg beteiligen, dem ist nicht klar, dass eine Beteiligung nicht nur im Schützengraben stattfindet und darüberhinaus nicht mehr zu vermeiden ist. Wer glaubt, dass wir uns zum jetzigen Zeitpunkt noch komplett neutral heraushalten könnten, um den deutschen Wohlstand nicht zu gefährden, der wiederholt die Fehler der Menschheitsgeschichte. Die Kopf-in-den-Sand-Taktik hat noch nie funktioniert, und mag vielleicht dafür sorgen, dass Deutschland aktuell in keine Kriegshandlungen verwickelt wird. Jedoch der Imageschaden der dadurch entsteht wird auf Jahrzehnte irreparabel sein. Das werden wir bei jeder Gelegenheit von unseren Verbündeten aufs Butterbrot geschmiert bekommen.

 

Daran erkennt man wieder einmal, dass sich Deutschland beim letzten Gang an die Wahlurne komplett falsch entschieden hat. Wir haben Führung gewählt und Schockstarre bekommen. In jeder Hinsicht.

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